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Jdeenkreise einer niedergehenden Kunst Leben einzuhauchen uud schuf aus seinem Vorrathe
der schönsten Detailstudien in mosaikartig zusammengesetzten Compositioueu vom feinsten
Geschmack wahrhaft paradiesische Landschaften. Noch heute genießen wir viele seiner
Meisterwerke, in denen der starrere Linienreiz der antiken Ruinen und der malerischen
Baukunst Italiens mit den weichen Massen eines üppigen Pflanzenwuchses und dem
Spitzenrahmen des kletternden Ephens in so fein abgewogenem Gleichgewicht steht, während
die biblische oder mythologische Staffage, die er mit liebevoller Sorgfalt durchbildet, sich
voll feierlicher Anmuth in die Umgebung einer feenhaft blühenden Eden-Landschaft hinein-
schmiegt. Dennoch spricht heute aus seinen von Schönheit, Reiz, Seele erfüllten Bildern
ein fremdartiger Geist zu uns und wir haben die Empfindung, als sei die Üppigkeit, die
Farbe und das Licht, wovon seine Landschaften strahlen, nicht von dieser Welt. Wir sind
freilich stolz auf die Eroberungen seiner Kunst, denn sein Ruhm war ein europäischer uud
fast jede ausländische Gallerie besitzt einige seiner Meisterbilder. Auch die Gallerie des
Nationalmuseums zu Budapest hat bereits einen ganzen Saal voll Bilder aus seiner besten
Zeit, sowie aus seinem Nachlaß.
Leider hat der hochberühmte und hochverdiente Meister keine irgend weit verzweigte
Schule gegründet. Zwar erzog er auch seine Söhne zu Künstlern, die sich gleichfalls in
Italien niederließen und Landschaften aus der Umgebung von Florenz, Pisa und Carrara
malen, jedoch nicht im Geiste ihres Vaters, nur in der Manier seiner Manier. Sein
begabtester und treuester Schüler aber, der jahrelang in Appeggi an seiner Seite
lebte und den er als seinen ungarisch geborenen Günstling mit den Wohlthaten seiner
Erfahrungen und Rathschläge überhäufte, Anton Ligeti, prägte den überkommenen
Schätzen den Stempel seines selbständigeren Gemüths auf und brachte sie dann als Gold
von eigenem Gepräge in Umlauf. Auch bei ihm entwickelte sich jener liebevolle Sinn für
den Rhythmus der Zeichnung und für ein schönes Gleichgewicht der Massen; dieser Sinn
wuchs sogar zur Hauptsache heran und fand reiche Befriedigung in späteren Naturstudien,
deren Schauplätze Sizilien, die Cedernwälder des Libanon und die Palmenhaine des
Nilufers waren. Von seiner großen Orientreise brachte er einen Schatz der herrlichsten
Skizzen heim, dessen Reichthum er in einer langen Reihe großer exotischer Landschaften
bis an sein Lebensende nicht erschöpfen konnte. Hierzu paßte so recht die strahlende
Farbenscala der Marko schen Palette, und Ligetis so warm gewöhntes Auge hatte
später so manche Schwierigkeit zu überwinden, um den Localsarben und graueren
Stimmungen der kühleren Heimat gerecht zu werden. Hier riß das Band zwischen seiner
Eigenkunst und der fortgeschrittenen Weltkunst einigermaßen ab. Jene schien in ihrem
mehr decorativeu Wesen zu erstarren, während diese die Erscheinungen der Wirklichkeit
in Farbe und Plastik bis in die letzten Schattiruugeu ergründet und darstellt. Der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch