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man dann das Bild der herrlich gelegenen Hauptstadt sich entfalten, vom Grau der Luft
wie mit einem feinen Schleier umhüllt, in den die mächtigen Schlote der gegenüber-
liegenden Dampfmühlen hineinragen, während die Industrie-Anlagen längs der Ufer das
Ohr mit dem Getöse ihrer emsigen Arbeit füllen. Besonders interessant ist der Anblick,
wenn man ihn von jener Lichtung der Margaretheninsel aus genießt, welche die Hauptinsel
mit der Haseninsel verbindet. Einerseits liegt Altofen, dem Charakter nach ganz Fabriks-
stadt, und nmkränzt vom Dreihotterberg und der entfernteren Gruppe des Piliserberges;
auf der anderen Seite aber trifft das Auge, indem es dem Lauf der Donau folgt, die
eigentliche Hauptstadt, wie sie unvergleichlich schön hingebettet ruht. Wer jedoch von
Süden her, vom Eisernen Thor oder Belgrad, nach der Hauptstadt kommt, den grüßen
die Fabriken, die sich um die Ebene des Kelensöld und die Eisenbahn-Verbindungsbrücke
her gruppiren, sowie die ununterbrochene Reihe gewerblicher Anlagen längs der
Soroksärer Straße; er sieht die Eisenbahnzüge über die Verbindungsbrücke brausen und
die Waggonreihen am Stromufer, im Lafteubahnhofe der königlich ungarischen Staats-
bahnen, dann den fernhin auffälligen hauptstädtischen Elevator und die mit ihm zusammen-
hängenden Lagerhäuser, auch den Zollamtspalast und eine Muth kommerziellen Lebens
längs der Quais, und das Alles sagt ihm, daß die ungarische Hauptstadt nicht nur der
politische Mittelpunkt des Landes, sondern auch das Centrum seines Verkehrs ist, daß
sie einen imposanten Brennpunkt von Industrie, Fabrikation und Handel bildet, daß sie
ebenso reich ist an Kraft, Arbeit, Fortschritt und Schaffensgeist als an Naturschönheiten.
Den nämlichen Eindruck hat aber auch der Ankömmling auf der Eisenbahn, sei's auf den
nördlichen oder Siebenbürger Linien, sei's von Finme, Konstantinopel oder Bukarest her;
in jeder Richtung wird man zuerst vom Gewühl der industriellen Thätigkeit begrüßt; da
gibt es rauchende Fabriksanlagen, neben, über und untereinander hinwegbrausende
Eisenbahnzüge in unablässigem Kommen und Gehen, Bahnhöfe und Ladeplätze, industrielle
Geleise mit Eisenbahnwagen von eigenthümlicher Form besetzt und unmittelbar in Bier-
brauereien, Spiritusbrennereien, Petroleumraffinerien uud Mastanstalten hineingeführt,
schwer mit Waaren beladenes Lastfuhrwerk, — kurz, lauter Anzeichen eines gewaltigen
industriellen Schaffens und Wettbewerbs, dessen Mittelpunkt mit dem Mittelpunkte des
Landes identisch ist.
Die Fabriken und gewerblichen Anlagen liegen auf dem Gebiete der Hauptstadt
verstreut; manche sind zwischen Palästen eingekeilt, viele stehen sogar noch in den Stadt-
theilen, die, nach den neueren Stadtverschöueruugs- und Regnlirnngsplänen, Mieth-
häusern und Palästen vorbehalten sind. Wie in jeder Stadt, die sich in stürmischem
Entwicklungsgange befindet, liegen auch hier die Interessen der Gesundheit, Ästhetik und
Bequemlichkeit gewissermaßen im Streite mit der Industrie, die mit ihrem Gürtel von
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch