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Gewerbe gegeben, und zwar im Verhältniß zu Zeit und Mitteln beides bedeutend genug,
was ja schon die natürliche Lage und zeitweilige politische Rolle der Hauptstadt mit sich
brachte. Die bei den Altosner Ausgrabungen zu Tage geförderten Gegenstände bekunden,
daß die römische Colonie zu Aquiucum schon im zweiten Jahrhundert nach Christus
zahlreiche Handwerker aufzuweisen hatte. Der Vorsteher der in Aqnincum ansäßigen
Zünfte war damals der Stadtrath Pompejns Fanstus. Auch die Ruinen der damaligen
Markthalle sind wieder ausgedeckt, mit Reihen von Kaufläden und einer inneren Säulen-
halle, welche beweisen, daß die römische Herrschaft trotz der militärischen Organisation
auch für die Befriedigung der gewerblichen und Handelsbedürfnisse dieser Colonie gesorgt
hat. Später folgten wilde Kriegszeiten, Jahrhunderte der Zerstörung, bis schließlich auf
diesem Gebiete der ungarische Staat gegründet und Ofen eine Residenz wurde. Nichts
natürlicher, als daß Alles, was der Gewerbfleiß, und namentlich das Kunstgewerbe jener
Zeit zu schaffen vermochte, auch im königlichen Buda zu finden war. Nach den geschicht-
lichen Überlieferungen wurden längs der gewaltigen Donau durch Ofner Bürger schon
im XIII. Jahrhundert Mühlen errichtet. Zur Zeit König Sigismuuds war in Ofen schon
fast jedes Handwerk vertreten, und zwar in zahlreichen organisirten Zünften. Die Gold-
schmiede, deren Kunst damals in Ungarn auf so hoher Stufe stand, daß ihre emaillirten
Werke überall gesucht waren, bildeten eine der angesehensten Zünfte. Aus dem Gesetz-
buche der Stadt Ofen, das zur Zeit König Sigismnnds verfaßt wurde und auch die auf
Zünfte und Handwerker bezüglichen Rechtsbestimmungen gesammelt enthält, ergibt sich,
daß die Krämer und Geldwechsler, die Fischer, Fisch- und Wildprethändler, ferner die
Metzger, die an der Donau eine gemeinsame Schlagbrücke besaßen, dann die Schmiede,
Schlosser, Sporer und Nadler, die Seiler, die Schuster, Lohgerber, Sämischgerber,
Kürschner und Sattler, die Bäcker und Müller, die Maurer, Steinmetzen, Ziegelstreicher
und Pflasterer, die Tischler, Drechsler und Zimmerleute, die Wagner und Binder, die
Schild-, Pfeil- und Armbrustmacher, die Handschuhmacher, Taschner und Gürtler, die
Tuchscherer und Schneider n. s. w. schon damals ansehnliche Körperschaften bildeten.
Auch auf der Pester Seite entwickelten sich einzelne Gewerbe; hier war die Zunft der
Gerber die hervorragendste, sie hatte ihr Zunftprivilegium von König Matthias erhalten.
Nach dem Ende der Türkenherrschaft reorganisirten sich die Zünfte, damals die ein-
zigen Vertreter der Industrie; neue Handwerker riefen neue Zünfte ins Leben, mit
neuen Privilegien. Und da Handel und Gewerbe nach den damaligen Einrichtungen sich
nur im Rahmen der Zünfte entwickeln konnten, wandten sich aus vielen Städten des
Landes Handwerker jeder Art an die alten und erstarkten Zünfte in Ofen und Pest, um
Rechte und Schutz. So gründen die Ofner Filialzünfte in Raezkeve, St. Andrä, Waitzen,
Nagy-Körös und Fünfkirchen, die Pester in Czegled, Keeskemet und Waitzen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch