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zu bilden, auf welchem Franz Joseph I. die Rechte Ungarns unversehrt zu wahren am 8. des
folgenden Juni in Budapest feierlich gelobt hat.)
Durchschreitet man den Thurm, so gelangt man in den ältesten Stadttheil Fiumes,
die sogenannte Gomila, den einzigen, der sich von den vier ursprünglichen Stadttheilen
(Gomila, Sloghin, San Vito und L'Orologgio) nicht nur dem Namen nach, sondern auch
in seinem alten Charakter erhalten hat. Die Gomila, d. h. Altstadt besteht aus zwei
langen, jedoch kaum drei Meter breiten Gassen und etlichen sehr engen Quergäßcheu,
worin das Volksgetümmel nicht minder lebhaft ist als in den alten engen Gassen
Venedigs. Auch der entsetzliche Geruch ist hier und dort der nämliche, ein seltsames
Gemengsel von Düften, in dem sich die Wohlgerüche der Blumen und Orangen mit den
eklen Ausdünstungen von muffigem Käse, gebratenen Seefischen, Mollusken und allerlei
Sorten von Öl mischen.
Die Gomila ist ein hier vergessenes Stück alter Levante, außer ihrem Mißduft noch
erfüllt von ohrenbetäubendem Lärm, dem lauten Rufen der Kinder, welche Citronen,
Gefrornes und Zucker feilbieten, dem schauderhaften Gehämmer der Böttcher, Schlosser
und Kupferschmiede, dem keifenden Geplapper halbnackter Weiber, dem vielstimmigen
kleinen Gezänk und Gebelfer in den Häusern, selbstverständlich auch glitschrig von den
Obstabfällen, die das Pflaster bedecken, und oben förmlich bewimpelt mit alter Wäsche,
die aus allen den engen Fenstern zum Trocknen heraushängt.
Dennoch versäunit es keiu Fremder, die Gomila zu besuchen, denn nur hier sieht
man das südländische Volksleben in seiner ganzen Lebhaftigkeit, die urwüchsigen Menschen-
typen, den volkstümlichen Handel und Wandel nnd jenes Kleingewerbe, dessen Erzeug-
nisse, insbesondere der für das Volk bestimmte Gold- und Silberschmuck, ungemein
interessant sind. In den kleinen Schaufenstern ist der überlieferte Geschmack des slavischen
und italienischen Volkes von Fiume und seiner Umgebung ausgestellt. Da sieht man die
weit und breit wohlbekannten emaillirten Nadeln, Ohrgehänge und andere Schmucksachen
mit den betnrbanten Mohrenköpfen, die sich unter dem Namen »irwretti- fast über ganz
Europa verbreitet haben. Es ist dies ein eigener Finmaner Jndnstrieartikel, ein Überbleibsel
der altveuetianischen Goldschmiedekunst; die hübschen billigen Dinger sind heute gang-
barer als je zuvor. In einer kleinen Werkstätte der Gomila verfertigt eine Gold-
schmiedfamilie, Namens Gigante, diesen beliebten Schmuck in allerlei Zusammensetzungen
massenhaft und mit außerordentlicher Geschicklichkeit.
An: Eingange der Gomila, dem alten Thore gegenüber steht in einem engen
Durchgang der ,arev romano" (porta ivmana), ein altes römisches Thor, das älteste
Kunstdenkmal der Hafenstadt. Am Thorbogen sieht man Spuren von Schnitzwerk, und
die gebräunten Steine sind ohne sichtbaren Kitt zusammengefügt; die beiden Thorpfeiler
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Band 12
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (3)
- Band
- 12
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.49 x 21.91 cm
- Seiten
- 626
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch