Seite - 64 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13
Bild der Seite - 64 -
Text der Seite - 64 -
64
Bei Mühlbach öffnet sich das enge, trümmerreiche Valserthal mit prächtigen
Wasserfällen, üppiger Alpenlandschaft und schauriger Klamm, in dessen Hintergrnnd
die Riesen des Pfitscher- und Pfundersthals ihr silberglänzendes Haupt erheben. Und wie
auf einen Schlag ändert sich nun der Charakter der Landschaft: hier rankt der Weinstock,
reift die Feige, dort trägt die Gegend das Kleid der Alltagsvegetation gemäßigten Klimas;
hier begegnen wir deutschen, dort fast nur rhätischen oder romanischen Ortsnamen; hier
erscheinen die Häuser und Bauernhöfe bereits in der Winterhälfte ihres Daseins, verfallen,
doch anmuthig; dort tragen sie das Gepränge jugendlicher Frische, und nur über den
Burgen, Schlössern und Ruinen liegt ein mittelalterlicher Duft ausgebreitet. Hoch obeu
am Walde grüßt uns Schabs und die mächtige Ruine Rodeneck, in der Tiefe rauscht die
Rieuz, der größte Nebenfluß der Eisack, in welchen sie bei Brixen in herrlicher Umrandung
einmündet; vor uns erhebt sich der schöne, aus massiven Granitquadern hergestellte
kasemattenartige Bau der Franzensfeste, in welche die hoch in den Lüften schwebende
elegante Eisenbrücke den Schienenstrang hineinführt, unter welcher der 80 Meter tiefe
Eisackschluud mit seinen senkrechten Wänden gähnt; etwas über der halben Höhe der
Schlucht erblickt man die uralte, aus den Kriegsannalen bekannte hölzerne Ladritscher
Brücke für die Fahrstraße, an der 1809 mit so großem Heldenmuthe gekämpft wurde, wie
ja überhaupt dieser Boden mit Heldenblnt reichlich getränkt ist.
Östlich von Toblach sührt die Bahnlinie wie die Poststraße auf monotonem Platean
im Dranthal abwärts und alsbald kommt von der südlichen Höhe das Dranbächlein
herab. Vor uns erhebt sich der Thurm der Stiftskirche von Jnnichen inmitten einer
rauhen Hochfläche; nur selten glänzt da ein Weizenfeld in seiner Goldpracht, nirgends
grüßt uns ein Obstbaum, grünlich braune Wiesen starren uns entgegen, so weit das Auge
reicht, und darüber hin leuchten die schönen Kalknadeln des Gantkosls, des Haunold, der
Drei-Schusterspitze (3.160 Meter) und andere mehr oder weniger imposante Dolomit-
spitzen. Bei Jnnichen öffnet sich das Sextenthal. Bald erreicht man im hübschen Anblick
des weithin dominirenden Helm das Dörfchen Sillian, am Fuße dieses Berges gelegen;
dahinter mündet das landschaftlich bedeutungslose Villgratten- und Kartitschthal ein. Nach
kurzem Vorblick auf die Gebirgsumrauduug von Lienz folgt Abfaltersbach, wo sich das
Thal ganz bedeutend zu verengen beginnt, und nur knapp winden sich neben der Drau,
welche schon ziemlich groß geworden, die Poststraße und die Bahnlinie dahin. Es folgt
der Engpaß der Lienzerklanfe, in der Tiefe braust und saust zwischen Riesenblöcken die
hoch aufschäumende Drau, darüber zieht sich die mühevoll dem Fels abgerungene Post-
straße hin uud über dieser ruht auf mächtigen Stützmauern die Bahnlinie; rechts uud
liuks ragen die himmelanstrebendcn Bergwände in wundersam abenteuerlichen Formen
senkrecht empor. Plötzlich öffnet sich die Schlucht: eine Ebene breitet sich aus, voll von
zurück zum
Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch