Seite - 66 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13
Bild der Seite - 66 -
Text der Seite - 66 -
66
Fernblick, die Venedigerwarte und die romantische Galizenklamm am Anstieg zu der
durch ihren Pflanzenreichthum schon seit einem Jahrhundert bekannten Kerschbanmeralpe,
sowie die zahlreichen Hochgebirgstoureu insbesondere auf die Gipfel der Kreuzkoflgruppe,
jetzt Lienzer Dolomiten genannt, fesseln uns an diese reizende Gegend.
Im Norden mündet das Jsel thal ein, das uns alsbald mitten in die herrlichsten
Punkte der Alpenwelt versetzt. Es ist, im weiteren Sinne als Quellgebiet der Jsel
genommen, das größte Querthal des Tauerugcbietes, im engeren Sinne dagegen ein
kleines schluchtenartiges Thal von kaum sechs Stunden Länge und etwa 760 Meter
mittlerer Erhebung. Hinter dem Dorfe Ainet, wohlbekannt aus dem Kriegsjahr 1809,
wird es enger und enger uud hinter St. Johann im Walde erinnert uns die düstere
Ruine Kienburg lebhaft an vergangene Zeiten und Menschen; zur Linken mündet der
Desereggerbach, zur Rechten der Kalserbach ein; geradeaus liegt der Weiler „Unter den
Huben", über welchem sich auf dem Plateau Polling die schönste Glockneransicht bietet.
Und noch immer verengt sich das Thal mehr und mehr am brausenden Jselbach;
wir erreichen endlich, gefährlich schön am Schuttkegel des Bürgerbachs hingelagert,
Windisch-Matrei. Ein unglücklicher Ort! Was nach wiederholten Feuersbrünsten und
nach wiederholten Wasserfluten dem Orte durch Menschenfleiß und Ausdauer wieder-
gegeben wurde — es wird ihm alljährlich bedroht, denn mit unerbittlicher Macht stürzt
der Bach hernieder von der Bretterwand, Alles raubend, was er berührt; nur durch
kostspielige Schutzmauern und riesige Sturmbrecher vermögen sich die Bewohner vor
dem Untergang zu schützen. Und doch! Welch eine wundervolle Gegend, wenn auf ihr
der Friede lieblicher Sonnenstrahlen ruht! Höchst dankbar ist der Ausflug zur alten
Nikolauskapelle oder nach dem auf einem hohen Dolomitkegel gelegenen Schlosse
Weißenstein und der Klamm Prosegg, vor Allem aber auf das Matrei-Kalferthörl
(2.205 Meter), wo die Hochschobergruppe, der Glocknerkamm und der Groß-Veuediger-
stock bis zur Röthspitze sich zu einem einzigen Bilde von geradezu unvergeßlicher Wirkung
vereinen.
Windisch-Matrei ist wichtig als Ausgangspunkt zum Besuch von vier Thälern,
welche unter sich und mit ihm in innigster Verbindung stehen. Das erste Thal, das
Kalserthal, ist beiläufig sieben Stunden lang und trotz der nahen Gletscherfelder
ziemlich milde uud fruchtbar. Beim Eintritt von Huben her ist es sehr enge, bald weitet
es sich aus und in vollster Pracht erscheint nun, nichts verhüllend, Alles bietend, der
Großglockner mit der Glocknerwaud, der Adlersruhe und dem Ködnitzgletscher, eine
Augenweide, die besonders von der Häusergruppe Stauiska aus in ihrem Vollreize
genossen wird. Kaum hat man ihn erblickt, beginnt er, der Riese, zu verschwinden
um mit neuen Theilen wieder aufzutauchen, und fast übersehen wir in diesem Spiele
zurück zum
Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch