Seite - 74 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13
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Das nach rechts sich wendende Thal erschließt nun vor uns allmälig eine mit
Ortschaften sehr reich besetzte Landschaft. Von Calliano weg gelangen wir am Castel
Pietra (Stein) unter einer brüchigen Felsenwand vorbei zum alten Dorfe Volano,
jenem Castrum Volaenes des Paulus Diaconus, welches die Frauken im Jahre 590
zerstörten. Der Ableitung des Namens vom lateinischen avellanue, Haselnüsse, entspricht
auch der Umstand, daß die Deutschen den Ort in älterer Zeit Nußdorf nannten. Ein
unscheinbarer runder Hügel zwischen der Eisenbahn und dem Dorfe heißt Destor, das ist
äecem turres, ein Schloß mit zehn Thürmen, welches einst dort gestanden sein soll. Von
Volano weg zieht die Straße über eine lange Terrasse, welche nach Westen zur Etsch hin
mit einem langen Rain abfällt, nach Osten aber von einem scheinbar vom Monte
Finonchio abgelösten Höhenzug überragt wird, an einem alten Kirchlein Sant Jlario,
wo einst ein Hospiz und Priorat bestand, vorbei nach Rovereto. Hier, zwischen Volano
und Rovereto, lag einst jenes „Lagare", das ist Lager, nach welchem bei Paulus
Diaconus ein ,eomes I^an^odarckorum de I^gFure kluFilo nomine", welcher 575 im
Kampfe gegen die Franken fiel, benannt ist, ein Lager, welches wohl schon in römischer
Zeit für Hilfs- und Landtruppen bestanden haben kann und von dem das Lagerthal später
seinen Namen erhalten hat. Es fehlt nicht an Funden; noch viel mehr, als er dem Lichte
bereits wiedergegeben, mag dieser Boden noch in seinen Tiefen bergen.
Die Stadt Rovereto liegt links, seitlich in einem anmuthigen Winkel des hier
ziemlich breiten Etschthals zu beiden Seiten des aus einer Thalschlucht hervorfließenden
Leno. Sie ist neueren Ursprungs, wie das sie überragende, etwa um 1300 erbaute Schloß
(jetzt Kaserne), welches mit einem runden Basteithurm vom Leno her einen hübschen
Anblick gewährt. Sie hat zwei breite Straßen, die eine, den Corso, von Norden her, die
andere neu angelegte vom Bahnhof weg zum Postgebäude, an welcher links in einer
weiten Mauerhalbnische das große Marmorstandbild des Philosophen Antonio Rosmini-
Serbati steht; sonst sind die Straßen nach mittelalterlicher Art meist krumm und enge. Es
gibt da manche wohlgebaute Häuser, auch einige, die Palazzi heißen, mehrere gefällige
Kirchen, einen Stadtthurm, dessen Glocke heute die lernbegierige Jugend mit schmeichelnden
Klängen zum Besuch der Schulen ladet, während sie einst die Bürger zu Versammlungen
rief, viele Filanden und Filatorien, von denen beim heutigen Verfall der Seidenzucht die
meisten außer Betrieb stehen, einige neue Fabriken, sonst aber nichts, was besonders
auffällt. Durch die Seidenzucht, deren Blüte vom Beginn des vorigen Jahrhunderts bis in
die Mitte des gegenwärtigen anhielt, ist die Stadt bedeutsam und reich geworden, während
nun ein bedauerlicher auch die Volkszahl allmälig mindernder Rückgang eingetreten ist.
Wie Trient seine Fersina, hat Rovereto seinen Leno. Mit der Triebkraft seines
Wassers ein gefälliger Diener, aber, wenn ihn, wie im Herbst 1882, Regengüsse
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch