Seite - 88 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13
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nieder. Die Aussicht ist lohnend und erstreckt sich auf einen weiten Umkreis der Alpen wie
auf einen großen Theil des venetianischen Tieflandes bis zur Adria.
Unterhalb Tezze nimmt Valfngana seinen Ausgang, wir treten auf italienischen
Reichsboden. Auf diesem können wir nun, wollen wir es bequem haben und nicht von
Val Tesino aus über den hohen Berg steigen, zum Cismone und an diesem Flusse auf
einer neuen Straße nach Primiero gelangen. So heißt ein ganzer Bezirk, welcher haupt-
sächlich aus zwei Thälern besteht, die sich in felsiger Enge gleich bei der Grenze scheiden.
Das eine, das Thal des Vanoi oder Canale San Bovo, zieht sich links weit hinaus
und zu oberst hinter dem letzten armen Bergdörflein Cauria noch in einem weiten Bogen
nm die Cima d'Asta herum. Eine traurige Merkwürdigkeit dieses Thals ist, daß dort
1794, 1823 und 1825 ungeheure Erdabrutschuugeu stattfanden, welche mehrere kleine
Ortschaften und das volkreiche Dorf Canale di sotto mit einer prächtigen Pfarrkirche in
einem Schuttmeer begruben. Da der Bach einen ihm seitlich vorgeschobenen Damm nicht
mehr zu brechen vermochte, bildete sich dort ein zwei Kilometer langer See, welcher der
neue — Lago uuovo — genannt wurde. Als uach 57 Jahren im Herbst 1882 infolge
schwerer Regengüsse der Vanoi anschwoll, brach der See aus und richtete bis in die schöne
Ebene von Fonzaso hinab furchtbare Verheerungen an. An seiner Stelle blieb nur eine
kleine Lache zurück, aus welcher noch braune blätterlose, meist auch entrindete Fichten und
Erlen mit Ästen, die wie Glas brachen, hervorragten. Von der Grenze an zieht sich
östlich, anfangs noch sehr enge, das schöne Thal des Cismone durch mehrere Dörfer
hindurch aufwärts nach Fiera di Primiero, schlechtweg auch nur Primiero genannt,
einem ansehnlichen Orte, der einem Städtchen gleichsieht. Wahrzeichen des einstmaligen
von deutschen Gewerkeu und Knappen betriebenen Bergbaues sind noch vorhanden.
Der ganze Bezirk ist eigentlich ein weiter Bergkessel, in welchem nach Nordosten
hin die Welt der Dolomiten ihre vollste Großartigkeit entfaltet. Von Fiera aus zieht sich
die neue vielfach gewundene Straße in gerader nördlicher Richtung hinauf zu S. Martiuo,
einem ehemaligen Hospiz, wo ein großes neues Gasthaus, ein älteres Wirthshaus und
eine alte Kirche stehen, und weiter bis auf die Höhe des Rollepasses. Unsern Blick fesseln
zunächst die zwei Zwillingsthürme des Safso maggiore; wir blicken weiter hinan zu
riesigen Felseuwänden, auf Zacken, Hörner und Thürme, auf wild zerrissene Grate. Da
ist der erste und höchste, der Cimon della Pala (3.220 Meter), der sich von S. Martino
aus als breite unglaublich hohe Mauer, von Rolle aus als kühn geschwungenes Horn
zeigt. Die alpine Touristik feierte einen ihrer größten Triumphe, als ihm, den: Riesen, der
lange für unbesiegbar galt und oft mit dem Matterhorn der Schweiz verglichen wird, der
kühne Engländer Mr. Whitwell am 3. Juni 1870 zuerst den Fuß auf den Kopf setzte.
Der Ausblick umfaßt die ganze Runde von Adamello und Ortler über die Ötzthaler und die
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch