Seite - 97 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13
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Die recht magere Pflanzendecke der Paßhöhe und die aus der Nordseite in nächster Nähe
bis zu 2.800 Meter aufragenden kahlen Bergriesen des zu unserer Rechten vorherrschenden
Dolomitenkalks geben im Ganzen ein ernstes, fast düsteres Bild, das durch den Wald-
schmuck der südlichen Berge, welche der Gneiszone angehören, nur wenig gemildert wird.
Das mehr als frische Lüftchen, das auch an Sommertagen über den Paß hinstreicht, läßt
ahnen, wie der Winter hier Hausen mag, und welche Ausgabe die Leute hatten, denen es
bis vor kurzem oblag, den Weg für das Fuhrwerk frei zu halten.
Mit der Wasserscheide und der politischen Grenze haben wir aber auch eine andere
Marke überschritten; wir kommen nun auf unserem Wege aus dem Gebiete des baierischen
Stammes iu jenes des alemannischen, und der von Tirol her kommende Wanderer wird
bald den sehr bedeutenden Unterschied in Sprache, Tracht, Hausbau ?c. wahrnehmen.
Die Straße führt noch eine geraume Strecke ziemlich eben, endlich senkt sie sich,
wenn auch nicht stark; am Beginn der großen Serpentine, die uns hinabführt, öffnet sich
uns der Blick ins Klosterthal. Im Vordergrund des Bildes sehen wir ein ärmliches
Dörfchen, das durch einen starken Steindamm vor den Lawinenstürzen des Erzberges
geschützt ist; es ist Stuben (1.418 Meter), vom Volkswitz „des Kaisers größte Stuben"
genannt. Vor kurzem noch eine wichtige Poststation, führt es nun in seiner unwirthlichen
Umgebung ein wenig freudiges Dasein.
Wir wollen heute nicht der „größten Stube" Gastfreundschaft in Anspruch nehmen,
sondern wenden uns, bevor die schöne Paßstraße das Dorf erreicht, von derselben ab.
Genau uordwärts von Stuben zeigt sich ein Einschnitt in der Gebirgskette zwischen dem
Erzberg und dem Ochsenboden, welcher den Übergang ins Lechthal vermittelt, der
Flexenpaß, von dem sich vor unseren Augen ein hübscher Wasserfall herabstürzt. Indem
wir dem Stubenbach aufwärts folgen, erreichen wir auf einem guten Karrenweg in zahl-
reichen Windungen die Paßhöhe (1.761 Meter) und befinden uns nun in einem Hochthal,
dessen freundliche Matten zahlreichem Vieh ergiebige Weide bieten. Wo das Thal sich am
meisten ausweitet, liegt das nur im Sommer bewohnte Alpendörschen Zürs. Weiter nord-
wärts senkt sich der Weg, unter uns rauscht ein lustiges Bergwasser, dessen Thal sich
immer mehr verengt, bis es zur völligen Schlucht wird, an deren Gelände für unseren
Karrenweg sich kaum noch Raum findet; da auf einmal liegt die schönste Mulde des
obersten Lechthals vor uns und in derselben das freundliche Dörfchen Lech, zwischen
herrlich grüueude Matten gebettet, von gewaltigen Bergen umrandet, unter denen das
schön aufgebaute Omeshorn (2.572 Meter) das Wahrzeichen für Lech bildet.
Obwohl ein echtes Hochalpenthal, entbehrt das oberste Lechthal bis etwas über Lech
hinaus doch nicht einer gewissen Milde, die es seinen prächtigen Alpenwiesen und den
bewaldeten Gehängen verdankt. Im äußersten Hintergrund des Thals erhebt sich die
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch