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Bald darauf starb Josef II., gequält von dem bitteren Gedanken, selbst die treuesten seiner
Unterthanen sich entfremdet zu haben, so redlich und gut er es auch mit allen seinen
Neuerungen gemeint hatte. Aber auch den Tirolern lag ihre Opposition schwer auf dem
Herzen und die wahren Patrioten trauerten über die Spaltung der Bevölkerung iu zwei
feindliche Heerlager.
Sein Nachfolger, Kaiser Leopold II., nahm viele der Reformen seines Vorgängers
zurück. Die Oppositionspartei in Tirol wußte schon bei seiner Durchreise durch das Land
ihre Beschwerden ihm vorzubringen und die Hoffnung ans Bewilligung eines vollen
Landtages zu erlangen. In der That gewährte der Kaiser bald dessen Einberufung auf
den 22. Juli 1790 und ernannte eine in Tirol beliebte Persönlichkeit, den Grafen Franz
Enzenberg, der als Knabe von Maria Theresia „der schöne Franzl" genannt worden
war, zum kaiserlichen Commisfär. Noch vor dessen Zusammentritt hob er die Militär-
conscription und bald nach Beginn des Landtags das Generalseminar auf. Die Ein-
berufungsschreiben zum Landtag wurden im ganzen Lande mit Jubel begrüßt und Adel,
Bürger und Bauern eilten in großer Anzahl nach Innsbruck. So war dieser Landtag
viel zahlreicher besucht als jeder frühere, die Anzahl der Vocalen stieg sogar auf 580.
Derselbe befaßte sich vorzüglich mit der Ordnung des Matrikelwesens, mit der Vorbringung
der zahlreichen Beschwerden gegen Josefs II. Neuerungen, mit der Errichtung eines neuen
landschaftlichen Systems, mit der Wahl eines neuen Landeshauptmanns, neuer Ausschüsse
und Landschaftsbeamten und mit der Wahl einer Deputation an den kaiserlichen Hof.
Bei den herrschenden Gegensätzen und den ehrgeizigen und selbstsüchtigen Bestrebungen
Einzelner kam es zu recht bewegten Sitzungen, doch behaupteten die Freunde des Hof-
commissärs gegen die Anhänger des Grafen Sauer und andere Gegner entschieden den
Sieg. Nach dem Schlüsse des vollen Landtags am 11. September, des ersten wieder seit
70 Jahren und des letzten, der überhaupt stattgefunden hat, wurden noch einige Sitzungen
des großen Ausschusses gehalten, weitere Sitzungen desselben und des kleinen Ausschusses
erfolgten in den beiden nächsten Jahren.
Das neue landschaftliche System war im Wesentlichen nur eine Erneuerung der seit
1722 bestandenen Organisation, alle weitergehenden Anträge blieben unbeachtet, darunter
der einer Vertretung der wälschen Confinen. Daher fand der Organisationsplan der
Landschaft nur unter mancherlei Beschränkungen die erwünschte Genehmigung; so drang
der Kaiser unter anderem darauf, auch den wälschen Confinen Sitz und Stimme in den
Ausschüssen zu gewähren. Von den vorgebrachten Bitten und Beschwerden wurden
dagegen viele ganz oder zum Theil berücksichtigt. Leopold gab Tirol eine neue zweite
Instanz im Justizfach durch Errichtung des Appellationsgerichtes zu Innsbruck und
stellte das Landeshauptmannschaftsgericht in Bozen wieder her, er hob mehrere der miß-
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch