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Einfluß gewesen. Nicht nur hat der eingreifende Gegensatz von Nord und Süd diesseits
und jenseits des gewaltigen Centralgürtels, der Tirol in zwei Hälften trennt, den
klimatischen Verhältnissen entsprechend auf die Bewohner eingewirkt, sondern auch inner-
halb dieser zwei großen Bezirke erzeugten die örtlichen Verhältnisse augenscheinliche
Verschiedenheiten. Der „Bergler", der hoch oben an der Bergflanke wohnt, ist ein anderer
als der Bewohner der Thalsohle, auf den er mit Stolz herabblickt; der „Thölderer",
der die bis an den Eisstock sich hinziehenden Nebenthäler belebt, unterscheidet sich sowohl
von dem Bewohner des Hauptthals, wie nicht minder von dem seines Nachbarthals,
obgleich ihn nur ein schmaler Gebirgsrücken von ihm trennt. So ist der Zillerthaler
verschieden vom „Alpäcker" (Alpacher), der Ötzthaler verschieden vom Pitzthaler und
Pazuauner; dasselbe gilt in Südtirol vom Bewohner der Seitenthäler, z. B. vom
Villgrattner und Teferegger, vom Sarnthaler und Ultner. Die große Abgeschlossenheit
dieser Thäler hat diese Verschiedenartigkeit des Charakters erzeugt.
Noch einschneidender macht sich die Abstammung der Bewohner geltend.
Die beiden großen Hauptstämme der Bajuvaren und Alamannen, erstere in den
östlichen, letztere in den westlichen Thälern ansässig, weisen noch in voller Stärke ihre
körperliche, geistige und gemüthliche Eigenart auf. Am auffallendsten zeigt sich dies im
Innthal. Der alamannische Oberländer, dessen Gebiet bis hart an die Mauern von
Innsbruck reicht, ist von dem Unterländer, obwohl er dasselbe offene Thal mit ihm bewohnt,
hinsichtlich des ganzen Charakters so grundverschieden, daß sich aus diesem Gegensatz der
Anlagen und Neigungen eine förmlich feindselige Stimmung entwickelt hat. Dazu kommt
noch, selbst wenn wir von den Rückständen untergegangener seßhafter Stämme, der
Longobarden, vielleicht auch der Gothen und anderer absehen wollen, der unverkennbare
Einfluß, den die Slaven und die frühere romanische Bevölkerung ausübten. So ist z. B.
der Charaktertypus der Roinanen im alamannischen Vinstgan noch scharf hervortretend,
deßgleichen wird jeder feinere Beobachter im bajnvarischen Unterpnsterthal die Einwirkung
der südlich angrenzenden „krantwälschen" Bevölkerung, im Hochpusterthal den Einfluß
der einstigen slavischen erkennen. Vollständig scheidet sich das ruhige Wesen des Bnrg-
gräflers aus, der schon durch seine körperliche Erscheinung verräth, daß er mit den
genannten Stämmen nichts gemein hat.
So haben sich in Tirol unter dem Einfluß von Orts- und Stammesverhältnissen
nach uud nach vier oder, wenn man will, fünf große Charaktertypen herausgebildet,
welche nach ihrem ganzen äußeren und inneren Sein vollständig verschieden und infolge
dessen auch sofort erkennbar sind: der ernste und rauhe Oberiuuthaler, der gemüthliche
und biedere Uuterinuthaler, der kluge Viustger, der erwerbsinnige Pusterthaler, der
bedächtige Burggräfler. Die Bewohner des Wippthals zeigen in ihrem Wesen eine
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch