Seite - 257 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13
Bild der Seite - 257 -
Text der Seite - 257 -
257
Haus angebauten kleinen Stall. Ans Haus angeschlossen oder in nächster Nähe steht die
„Wagenschupfe".
Hinter dem Hause breitet sich der schattige „Bangert" (Baumgarten) aus, an den
sich dann die Wiesen und Felder anschließen. Vergessen dürfen wir nicht den Frucht- oder
Hausgarten, der sich fast bei jedem Gehöfte findet und neben einem duftenden Blumenflor
verschiedene Nutzpflanzen enthält.
Volksleben, kirchliche und weltliche Festbräuche und Belustigungen. —
In diesen Gehöften nun, mögen dieselben vereinzelt an der Berglehne stehen oder sich im
Dorfe befinden, spielt sich das gleichförmig zwischen Arbeit und Vergnügen verlaufende
Leben des Gebirgsbewohners ab.
Der Hof eines Bauern umfaßt in der Regel nur eine Familie. Jedoch in jenen
Landestheilen Tirols, wo die Güterzerstückelnng üblich ist, wie im Oberinnthal und
Vinftgan, kommt es auch vor, daß zwei Brüder mit ihren Familien ein Haus bewohnen.
In diesem Falle ist Stube und Küche getheilt, ein trauriger Vorschub für Armuth und
Unfrieden. Gewöhnlich aber geht das Besitzthum ungeschmälert an Grundstücken auf
den Erben über und die „Weichenden", das sind die Geschwister des Bauers oder der
Bäueriu, lassen sich entweder ihren Antheil an Geld herauszahlen oder bleiben im Hause
uud versehen da das Amt von besser gehaltenen Dienstboten.
Herr im Hause ist der Bauer, der Schaffer, wie er gemeiniglich genannt wird. Ihm
zur Seite steht die Bäueriu als ebenbürtige Gefährtin. Geistiges und gemüthliches Band
besteht zwischen den Eheleuten nicht immer. Ursache hiervon ist der Beweggrund der
Eheschließung, wobei stets der praktische Sinn gegenüber dem Herzen die Oberhand gewinnt.
Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß eine Heirat aus Liebe gar nicht vorkommt.
Je weniger Geldmittel und Besitz bei der Wahl mitzusprechen haben, desto mehr tritt die
Neigung in ihre Rechte. Aber auch mancher stolze Großbauer holt sich ein auffallend
schönes Mädchen, wie manche reiche Bauerntochter einen armen Schlucker, der ihr gefällt,
sich durch Vermittlung anwerben läßt. Doch ist in beiden Fällen, besonders aber im
zweiten die Verbindung nicht immer glücklich und das materielle Mißverhältniß kommt
bei ehelichen Zwistigkeiten oft genug zum kräftigen Ausdruck. Übrigens wird die eheliche
Treue gewissenhaft gehalten; auch schaffen Pflichtgefühl und Gewohnheit nach und nach
ein gemüthliches Zusammenleben.
Die Kinder läßt man meist aufwachsen wie das Gras. Man befiehlt und verbietet
ihnen nicht viel, daher gibt es auch weuig Ungehorsam und Strafe. Im Großen und
Ganzen kann man sagen, daß das Verhältniß zwischen Eltern und Kindern ein schönes
ist. Zärtlichkeiten kommen nicht vor, aber ebensowenig vergißt der Sohn oder die Tochter
die schuldige Ehrfurcht gegen die betagten Eltern zu beobachten. Sind die Kinder größer,
Tirol und Vorarlberg. 17
zurück zum
Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch