Seite - 258 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13
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so müssen sie, wenn es nicht Söhne oder Töchter eines Großbauern sind, schon tüchtig bei
der Arbeit mithelfen. Sonst fällt dies in erster Linie den „Ehehalten", das ist den
Dienstboten, Knechten und Dirnen zu.
Die Feld- und Hausarbeit geht durchs ganze Jahr, wenn auch nicht immer iu gleich
strengem Maße. Am härtesten ist der Korn- und Heuschnitt, besonders in jenen Gegenden,
wo Heu und Garben eingetragen werden müssen. Auch die winterliche Herabschaffung des
Bergheues und Holzes ist sehr anstrengend. Trotzdem verlieren Knecht und Dirne den
guten Hnmor nicht, wozu nicht zum mindesten die Ergötzlichkeiten beitragen, welche die
bäuerliche Arbeit begleiten. So herrscht beim Pflügen folgender Branch. Wenn nach der
Bearbeitung des Ackers die „Hauerinnen", welche mit ihren „Hauen" die ausgehoben«!
Erde zerkleinern und ebnen, vor den Rossen nach Hause kommen, so werden letztere zum
Spott mit Kuhschellen und der Hausglocke feierlich eingeläutet. Man nennt diese zweifel-
hafte Ehre „Roßeinläuten". Ein ähnlicher ergötzlicher Vorgang ist beim herbstlichen
Pflügen der Fall. Wenn der betreffende Bauer mit der Bearbeitung des Grundes unter
Hilfe der Nachbarsleute bis Abend nicht fertig wird, so daß ein Stück noch unbebaut
liegeu bleibeu muß, so wird ihm der „Bär gemacht". Einer verkleidet sich mit Lappen
als „Bär" und wird von den Anderen unter dem weithin hallenden Rufe „Bär, Bär,
Saubär!" über die Anhöhen gejagt, mit Erdschollen und Holzprügeln beworfen und endlich
„geschossen", welches Ereigniß er dadurch zu erkennen gibt, daß er über den Rain hinab-
kollert. Um diesem Spott zu entgehen, suchen die Leute schon nachmittags mit der Arbeit
fertig zu werden. Man sieht, daß diese Bräuche einen sehr praktischen Nebenzweck
haben, den nämlich, das Gesinde zu möglichster Beschleunigung der Arbeit anzuhalten.
In ähnlicher Weise wird beim sommerlichen Heuen dem säumigen Mäher von der hinter
ihm folgenden Worperin „der Hund gemacht" oder „aufgegeigt", indem sie ihm heimlich
den Wetzstein aus dem Knmpfe nimmt und damit über ihr Taschenmesser fährt, singend:
Hätt'st du net a so an' guten Wetzstoan,
Könntest du net so fein abmahn,
Jtz kannst'n lei (gleich) g'halt'n
Dein Wetzstoan, dein' alt'n.
Der Gefoppte mag nun zusehen, daß er wieder zu seinem „Wetzer" kommt, und da die
Dirnen alle zusammenhelfen, so entwickelt sich oft eine hitzige Balgerei, zu der die anderen
Mäher mit ihren Wetzsteinen, die sie schräg über die Sensen streichen lassen, eine ohren-
zerreißende Musik machen. Auch das Garbenschneiden und Dreschen weist derartige komische
Zwischen- oder besser gesagt Endacte auf. Wer die letzte Garbe schneidet, hat den „Alten",
wer den letzten Drischelschlag macht, hat den „Hennendreck erschlagen" und mnß sich mit
einer Narrenhaube aus Strohwickelu und rothen Bändern auf einen Karren setzen und
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch