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Gewühl der gaffenden und flüsternden Jugend, ein Streit und Wetteifer, wer den höchsten
und schönsten Palm habe, also „Palmrobler" sei. Die kirchliche Function beginnt, den
Einzug in Jerusalem darstellend. Wie ein wandelnder Wald wogt die rauschende und
schwankende Palmprozession durch und um die Kirche. An vielen Orten wurde dabei in
früherer Zeit auf einem ziehbaren Wagengestell ein Christusbild, auf einem geschnitzten
Esel sitzend, in blauem Mantel und mit dem Ölzweig in der Hand, herumgeführt. Jetzt
ist diese Sitte wegen des Unfugs, den man mit dem „Palmesel" trieb, allseits abgekommen.
Nur im nnterinnthalischen Dorfe Tanr bei Hall ist die Sitte noch üblich, wo man vom
genannten Orte zum Taurer Schloß hinaufzieht, von dort zum Dorfe Rum absteigt und
dann wieder nach Tanr zurückkehrt. Bei dieser Palmprozession, welche mittags ihren
Anfang nimmt, wird Christus auf dem Esel sitzend in braunrothem wirklichem Rock und
hochrothem Mantel, in der Linken den Palmzweig, die Rechte segnend erhoben, von 25 bis
30 Paaren festlich gekleideter Kinder und begleitet von der frommen Volksmenge, die
palmtragend, betend und singend mitzieht, den genannten Rundgang herumgeführt.
Dieser bunte Zug der Palmträger und Beter, der die frischgrünen Hügel hinanwallt,
während ringsum das erneute Leben aus tausend und tausend Knospen bricht, hat etwas
ungemein Erhebendes und Poetisches.
Überhaupt ist die Charwoche mit ihrer Vorführung der heiligen Geheimnisse reich an
frommen Gebräuchen. So zogen früher am Montag, Dienstag und Mittwoch die Männer
des Dorfes Zirl vermummt ein großes und schweres Kreuz auf den Kalvarienberg. Am
Gründonnerstag geht man im Unterinnthal, Eisack- und Etschthal in den Obstanger
„Baumbeten" zur Erinnerung an das Angstgebet Christi im Olgarten. Große Sorgfalt
wendet man in ganz Tirol dem Aufrichten des „heiligen Grabes" zu, das in der verdunkel-
ten Kirche in Form einer Grotte dargestellt wird, umgeben von einem Garten duftender
Blumen, flimmernder Lichter und funkelnder „Grabkugeln", an deren leuchtenden Farben
sich die Kinder nicht satt sehen können. Am Charfamstagmorgen, an dem die kirchliche
Function der Feuerweihe vorgenommen wird, herrscht fast allerorts ein merkwürdiger
Brauch. Auf dem Friedhofe wird nämlich zumeist aus den alten Grabkreuzen ein Scheiter-
haufen errichtet. Kaum hat nun der Priester über den aus „neuem Feuer" entzündeten
Holzstoß die üblichen Segnungen gesprochen und den Rücken gekehrt, so stürzt sich die
andächtig herumstehende Menge, voraus die Burschen, über den glühenden Holzhaufen und
raubt die halbverbrannten Scheiter. Diese werden im Triumph nach Hause getragen und
an ihnen das Herdfeuer neu entfacht. Man nennt diese Sitte das „Holzrauben". Mit
diesen Kohlen werden auch Äcker „gepalmt"; ebenso werden sie bei heraufziehendem
Hochwetter in die Herdflamme geworfen. Abends findet dann die „Auferstehung" statt,
die gleichfalls, besonders im Inn- und Eisackthal, mit allem Pomp gefeiert wird.
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch