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Der Weihnachtstag selbst ist ein stiller Tag. Kein Wagen fährt nnd die Wirthshäuser
stehen leer. Dafür ist er im Hause einer der Hauptfreßtage des Jahres. Den Kindern
bringt Weihnachten eine längsterwartete Bescherung, nämlich die „Krippe". Sie wird meist
schon am Weihnachtsabend „aufgemacht" und besteht ans einem stufenweise sich erhebenden
mit beflimmerten Hadern überkleideten Gerüste, anf dem in anachronistischer Zusammen-
stellung Hirten mit ihrer Herde, Kaiserjäger, Einsiedler, dann vor Allem die Stadt Beth-
lehem grnppirt sind. Unten im Vordergrund erblickt man den Stall mit dem Jesus-
kindlein. Daneben findet in der Kirche das „Kindelwiegen" statt, wobei das Bild des
neugeborenen Heilandes in einer Wiege unter Gesang von den Kindern gewiegt und dem
Volke zum Küssen gegeben wird.
Je stiller der Weihnachtstag verrinnt, desto lanter geht es am folgenden Stephans-
tage zu. In der Kirche findet früh die Salz- und Wasserweihe statt. Die Leute bringen
das Wasser in großen „Brenten", Flaschen und Fläschchen zum Gotteshaus. Für das
Salz, das man in blanken schöngemodelten Zinngeschirren herbeiträgt, ist im Presbyterium
ein eigener Tisch hergerichtet. Nach der Predigt weiht der Priester mit dem Sprengwedel
beides. Am Stephanstag fanden früher im Unterinnthal auch Pferderennen statt, jetzt
hat sich von Bräuchen nur mehr das an diesem Tage übliche „Zeltenanschneiden" erhalten,
das besonders für den Liebhaber eines Mädchens von hoher Bedeutung ist. Die Festlich-
keiten, welche sich an den Neujahrstag und Dreikönigstag als die zweite und dritte
Rauchnacht anschließen, tragen mit Ausnahme des „Sternsingens", von dem später die
Rede sein wird, mehr weltlichen als kirchlichen Charakter. Denn das wilde Perchtenlaufeu,
das am Vorabend des letzteren Festes in den östlichen Theilen Tirols noch im Schwung
ist und im tollen Herumrennen vermummter und peitschenknallender Burschen besteht,
kann bereits als Vorspiel zu den bäuerlichen Faschingsmaskeraden gelten, womit wir den
Reigen der weltlichen Belustigungen des Älplers beginnen.
Es ist deren eine so bedeutende Menge, daß wir uns mit der Aufzählung der
wichtigsten begnügen müssen. Zum Theil sind es heitere Frühlingsgebräuche, welche wie
das Langes-(Lenz-)wecken und Grasausläuten als Reste uralter Frühlingsfeier angesehen
werden müssen und, wie schon der Name sagt, durch ernstkomische Umzüge und Schellen-
klingen die Erweckung der erstorbenen Natur zu neuem Leben darstellen sollen. Dahin
gehört auch das „Todaustreiben", das sich nur mehr als Kinderspiel erhalten hat, sowie
derGregori-Umgang und das im Vinstgau geübte Wildemannspiel. Auch von den Faschings-
bränchen gehören einige dahin, so die Vorführung des „Egarthansels" im Etschthal, das
Haarlangreiten im Sarnthal, der Haar-(Flachs-)tanz im Wippthal. Alle diese letzt-
genannten sind einstmalige nunmehr zum Mummenschanz degradirte religiöse Gebräuche
unserer heidnischen Voreltern. Ja selbst der auch außer Tirol wohlbekannte Faschings-
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch