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poesievollen Sage von der Einführung des Flachsbaues und den lieblichen Huldgestalten
der „Saligen", ihren Begleiterinnen.
Als komischer Gegensatz hierzu erscheinen die zahlreichen Sagen von den Nörggelen
und neckischen Pützen, in welchen zweifellos die verblaßte Erinnerung an die zurück-
gedrängte ursprüngliche Bevölkerung Tirols erhalten ist.
Einen Hauptbestandtheil der tirolischen Sage bilden die unerschöpflichen, von
Geschlecht zu Geschlecht sich fortvererbenden Erzählungen von Hexen, Trnden und anderen
den Menschen abholden Gespenstern. Über Hexen und ihre höllischen Künste, unter denen
natürlich Weitermachen, Milch stehlen oder verderben, Kinder und Vieh beschreien in erster
Reihe stehen, ließe sich ein ganzes Buch füllen, ebenso über die Hexenplätze und Hexenringe,
von denen es in Tirol eine Unzahl gibt.
Dies führt uns zu den örtlichen Sagen. Hierher gehören die Sagen, die vielen
wilden Bergformen nnd Schrofen anhängen. Die bekannteste ist die Sage von der Frau
Hütt, welche gleich der griechischen Niobe zur Strafe für ihreu Übermuth — sie hatte
mit Brot ihr Kiud gereinigt, einem hungrigen Weibe aber, das sie darum auslehte, einen
Stein gereicht — in einen Felsen verwandelt wurde, der hoch von der Schneide der Gebirgs-
kette nördlich von Innsbruck drohend herabblickt. Auch an die Serles, jenen domartigen
Dolomitriesen am Eingang des Stnbaithals, knüpft sich eine ähnliche Sage. Überhaupt
sind die meisten Volksüberlieferungen, die von verschütteten Almen und Wiesgründen,
Bergstürzen, unheimlichen Seen handeln, auf Strafen für begangene Frevel zurückgeführt.
Hierher sind endlich noch die vielen Sagen über untergegangene Städte, sowie die
Prophezeiungen über den einstigen Untergang von Ortschaften zu rechueu, wie z. B.:
Innsbruck versinkt,
Hall verbrinnt,
Schwaz verrinnt;
oder vom Pfannhorn über Toblach:
Reicht die Mnhr bis an die Spitze des Horn,
So ist Toblach und Wahlen verlor'n.
Zu den geschichtlichen Sagen gehören die Erinnerungen an die Schweizerkriege des
XV. und XVl. Jahrhunderts, welche in den Überlieferungen an die Schlacht anf der
Ulfiswiese und au anderen Orten wiedergespiegelt sind, wenn man darin nicht Nachklänge
an den nrgermauischeu Glauben vom Weltuntergang erblicken will.
Volksl ied und Volksschauspiel. Daß in Tirol, welches Land ein so reich
entfaltetes Volksleben aufweist, auch das Volkslied in voller Blüte steht, ist selbstver-
ständlich, selbst wenn dieses nicht durch „tirolische Nationalsänger" in alle Welt getragen
worden wäre. Doch erfreut es sich nicht in allen Thälern der gleichen Pflege. So ist
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch