Seite - 294 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13
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daß von einigen Thälern (z. B. Defereggen) ein großer Theil der männlichen, in neuerer
Zeit auch der weiblichen Bevölkerung in die Fremde geht und in allen Weltgegenden sich
Geschäften widmet. Diese bringen manches dem Thal ursprünglich Fremde nach Hause,
das allmälig Eingang findet. Den Hauptgrund dieser großen Mannigfaltigkeit in den
Dialecten bildet jedoch die Hochgebirgsnatnr, die überall der Jndividnalisirung Vorschub
leistet und bei der Abgeschlossenheit der Thäler eine Gleichförmigkeit nicht leicht aufkommen
läßt. Allein auch der Charakter der Leute ist derart, daß sie nicht gerne von einem deutsch-
redenden Nachbar etwas annehmen, viel eher von einem wälschen oder Fremden über-
haupt. Es gibt Dörfer, ja einzelne Häuser, die in nächster Nähe von einander liegen, deren
Sprechweise in manchen Punkten sich weiter entfernt als z. B. der Wiener Dialect vom
steirischen. Und doch findet ein Ausgleich nicht statt, wird auch uicht stattfinde». So z. B.
spricht man in einer und derselben Gemeinde des Thales Defereggen für gehabt theils
gihäpp, theils gihätt. Die Bewohner der Berglehne, die „Berger", setzen vor jedes
anlautende r ein h: hröern (weinen), hräsen (raufen), die Bewohner der Thalsohle thun
dies nicht und machen sich darüber lustig.
Dazu kommt noch, daß Deutschtirol gerade in der Mitte zwischen den beiden Hanpt-
dialecten des oberdeutschen Sprachastes liegt, dem baierisch-österreichischeu im Osten und
dem alamannisch-schwäbischen im Westen. So hat denn auch Tirol-Vorarlberg als echtes
Grenzgebiet an beiden Hauptmundarten theil.
Bevor wir die baierisch-österreichisch-tirolischen Dialecte einer knappen Würdigung
unterziehen, wollen wir einen Blick werfen auf die Ortsuameu und die fremden Bestand-
theile. Sehen wir von den schwer zu bestimmenden rhätischen, desgleichen von den
romanischen Ortsnamen ab, welch letztere mit kleinen Ausnahmen in ganz Tirol und
Vorarlberg so zahlreich vorkommen, daß Beispiele überflüssig sind, so mögen als keltisch
erwähnt werden: Bregenz (LriZantium, keltisch driA- Berg, Hügel), die häufigen Berg-
namen kär, kör, körl (car, carric Fels, Stein, cain Steinhaufe) und uock (enoe Hügel,
enveack hügelig), mehrere Bach- und Thalnamen däber (ckodar, tobar Quelle, Fluß,
Bach, wovon z. B. Defereggen, urkundlich lobereeke), ferner troien (trai^ Fuß, Chur-
wälsch truig Weg, eigentlich Fußweg), vielfach als Name für Fußwege, wohl auch Taueru
(turr, torr Berg, Haufe). Unter den Appellativen sei benne, banne genannt (Wagenkorb).
Slavische Ortsnamen gibt es im östlichen Pusterthal und in den Seitenthälern
massenhaft, z. B. Amlach (slavisch von ^ama Grube), Asliug (urk.
von Eschach), Dölach und Dölsach (6o!e, clohs Grube, Thal), Feistritz (d^strica
von dz'stril schnell, hell, klar), Glanz (llaaee, Klane Anhöhe, Hügel), Meilitz, Mallnitz,
Mnllitz, Schleinitz, Seinitz n. s. w. — Slavische Wörter, großentheils auf das östliche
Pusterthal beschränkt, sind z. B. ainschlizen (vWce Stachel), Stachelbeeren, bogrite,
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch