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Volksleben der Romanen in Tirol.
Die Verhältnisse des Bodens, dessen Anbau und das Recht daran geben dem Volks-
leben eines Landes seinen wesentlichen Inhalt.
Der romanische Landestheil bildet auch in dieser Hinsicht eine Übergangsstufe von
Enden nach Norden, von Ackerban und Rebencultur zu Wiesenbau und Viehzucht, vom
Naumann (Lolc>nc>) und Pächter zum freien Bauernstand. Ein glücklich veranlagtes Volk,
in welchem die Heißblütigkeit der Südländer mit nordischer Kaltblütigkeit sich mischt,
bebaut diesen Boden, auf welchem ein zwar nicht mehr urwüchsiges, aber frisches Volks-
leben sich entwickelt hat.
So weit Rebe und Maulbeerbaum gedeihen, ist der Baner in der Regel Baumanu,
welcher am Erträguiß des Bodens seine verschieden bestimmten Antheile hat, in selteneren
Fällen auch Pächter eiues Gutes, eines oder mehrerer Felder. Der Eigenthümer ist der
Signore, welcher in Stadt, Markt oder Dorf im Herrenhaus wohut und mit vollem
Selbstbewußtsein sich seines Daseins freut, sei es, daß er nur Grundbesitzer (possiäente)
oder nebenbei auch noch etwas Anderes ist, wie: Geschäfts- oder Gewerbsmann, Beamter ?c.
Freilich hat das schöne Ding auch seine schlimme Seite. Gute, verständige, nicht blos auf
ihren Vortheil bedachte Bauleute find uicht immer zu finden; oft kostet eine Campagua
zeitweilig mehr als sie einträgt; Steuern und Umlagen sind zu trage» und manchmal
besondere Arbeitslöhne zu zahlen; Frühjahrsfröste, Hagel und Mißwachs verderben dem
Signore nnd seinen Bauleuten leicht ihre besten Hoffnungen. Da schaut wohl zuweileu
auch einem Signore, wenn er sonst kein gesichertes Einkommen hat, die liebe Noth durch
das Feuster auf den Mittagstisch, mancher ist mich schon verarmt. Der Werth der Güter
schwankt und sinkt, und nicht selten läßt sich bei einer schönen Campagna eine Reihe von
Familien auszählen, welche vordem, eine nach der andern, die beatae possiclentes
gewesen sind.
Es gibt auch Halb-Baueru oder Halb-Herreu, welche sowohl Eigengut haben, als
auch Bauleute oder Pächter sind — in die Höhe strebende Leute, welche aber alles
Bittere doppelt empfinden. Werden sie der Arbeit überdrüssig, so ist es mit ihrem Herren-
thum oft bald wieder aus und sie mögen mit dem fahrenden Sänger ausrufen, daß sie
ihre Sache auf nichts gestellt haben.
Wo der Wiesenbau beginnt und die Rebencultur abnimmt und eingeht, da ist der
Bauer meistens frei und selbst Eigenthümer. Aber diese freien Bauerngüter sind meistens
sehr kleiu, der Viehstand ist gering, die Schuldenlast manchmal drückend. Es gibt
ausgedehnte Gebiete, welche, wie z. B. der Nousberg, arm sind an Wäldern und Alpen,
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch