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geborenen, weil das Christkind herumgeht und alle neugeborenen Kinder küßt. Dem Vieh
im Stall, welches natürlich in dieser Nacht auch reden kann wie anderswo, wird besseres
und reichlicheres Futter verabreicht; die Christmesse wird in Wälschtirol nicht erst um
Mitternacht, sondern am Abend vorher gefeiert. Der deutsche Christbaum ist fast unbekannt,
da an sehr vielen Orten junge Fichten eben nicht zu beschaffen wären.
k'elice capo ck'annc» — glückliches neues Jahr! So schallt auch in Wälschtirol der
laute Ruf herumziehender Kinder, welche eine Gabe erhalten wollen. In der Gegend
von Pergine pflegten einst die Hausväter in der Neujahrsnacht den Himmel zu betrachten
und aus dem Stande der Gestirne Ehen, Geburten und Todfülle, auch Witterung und
Fruchtbarkeit des kommenden Jahres mit gewichtigem Ernst vorherzusagen.
Um das Fest der heiligen drei Könige war und ist noch theilweise auch in Wälschtirol
das bekannte Sternsingen üblich. Gaben, welche die Kinder dabei oder anch innerhalb der
ganzen Weihnachtszeit für das Singen und Glückwünschen erhalten, auch die Lieder selbst
heißen deneZate oder begkenale (bi^kenate), ein Wort, welches von den Anfangsworten
eines alten Liedes — ,cant«z al den eii's nato" — herstammen soll.
Am Fest des heiligen Einsiedlers Antonius (16. Januar), des Patrons des Haus-
viehs, werden in den Dörfern Vieh und Ställe vom Ortsgeistlichen gesegnet.
Im Fasching geht es auch in Wälschtirol oft lustig her und fehlen ergötzliche Aufzüge
und Spiele nicht. Heiraten werden gern in diese Zeit verlegt; das Begraben oder Ver-
brennen des Faschings kommt wie anderwärts vor.
Das interessanteste aller Faschingsspiele war einst jedenfalls das der Cinsi-Gobbi
in Trient, welches zum letzten Mal im Jahre 1857, früher aber in der Regel jährlich
zweimal auf öffentlichen Plätzen gehalten wurde. Es betheiligten sich darau jedesmal
mindestens 150 bis 200 Personen, welche sich in zwei Gruppen, die Ciusi und die Gobbi,
theilten. Letztere bäuerlich gekleidet, bildeten einen großen Kreis und faßten einer den
andern gegenseitig an den starken Gürteln, welche sie um den Leib geschlungen hatten. In
ihrer Mitte staud ihr König; er hatte eine schöne gelbe Polenta zu kochen und zu
bewachen, sowie seine Befehle zu ertheilen. Um den Kreis hernm schwärmten die harlekin-
artig weiß, gelb und roth gekleideten Ciusi, deren Aufgabe es war, den Kreis der Gobbi
zu sprengen und die Polenta zu erraffen. Auch sie hatten einen König, welcher die Angriffe
befahl uud leitete; zudem bestand für streitige Fälle ein Schiedsgericht und wurde jeder
Theilnehmer vorher untersucht, ob er keine Stichwaffe bei sich trage. Ein Cinso legte
seine Arme um die Arme zweier sich gegeuseitig an den Gürteln haltender Gobbi und es
folgte unter Lärm und Geschrei ein gewaltiges Ziehen und Zerren, wobei an den
angreifenden Ciuso wieder zwei andere und an diese wieder andere sich hängten.
So gingen die Angriffe auch auf mehreren Seiten fort. Nur sehr selten soll es auch
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch