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vorgekommen sein, daß ein über besonders gelenkige Glieder verfügender Cinso den Kreis
der Gobbi übersprang, die Polenta packte und mit ihr wieder zurücksprang. Vermochten
die Ciusi deu Kreis nicht zu sprengen, so behielten die Gobbi die Polenta und den Sieg,
waren aber die Besiegten, wenn ihr Kreis gesprengt und die Polenta von den Ciusi davon-
getragen wurde. Letztere sollen auch meistens die Sieger gewesen sein. Eine ungeheure
Volksmenge sah zu und ließ es an Zurufen oder Zischen, Pfeifen und Lachen nicht fehlen.
Man wollte diesem Spiele, bei welchem es auf List, Gewandtheit und Leibesstärke ankam
nnd an welchem in älteren Zeiten anch vornehme Bürger und Herreu theiluahmen,
geschichtlichen Ursprung zuschreiben uud es auf die Zeit beziehen, in welcher auf Befehl
des Ostgotheuköuigs Theodorich die Feltriner den Tridentinern ihre Stadtmauern wieder
banen halsen. Dr. Tito Bassetti, der sich mit der Beschreibung des Spieles beschäftigte,
wollte es gar iu etruskische Zeit zurückverlegeu und in den Namen Cinsi-Gobbi Anklänge
an die Namen der alten Städte Clnsinm uud Gabium finden.
Den Romanen eigen, ein Nachspiel zu den alten Saturualieu scheinen die März-
fener gewesen zu sein, welche einst allgemein üblich waren. An den drei ersten Abenden
des März zündeten junge Bursche Feuer auf den Höhen an und riefen mit einem Reim-
spruch ueue Ehepaare aus, am ersten Abend toll genug Alte mit Juugeu, Häßliche mit
Schönen, Arme mit Reichen, am zweiten weniger unsinnig, am dritten sogar ernst. Statt
an drei Abenden that man Gleiches anch nur au zweien oder an einem einzigen. Die Sache
blieb selten ohne Folgen. Heiraten wurden gestiftet oder zerschlugen sich auch, weuu sie
schon in Aussicht wareu, Verdruß, Haß uud Feindschaften entstanden, so daß die Behörden
öfter eingreifen und den bösen Scherz verbieten mußten. Heute gleicht dieser Brauch uoch
einem erlöscheudeu Feuer, welches zeitweilig wieder hell aufflackert. Die Johannisfeuer
dagegen scheinen weniger allgemein üblich gewesen zu sein.
Osteru hat wie überall seine Bräuche. Eiue herkömmliche Sitte ist es, daß der
Vater, welcher zuerst nach der Weihe des neuen Taufwassers ein Kind taufen läßt, dem
Ortsgeistlichen ein Ziegenkitz zum Gescheuk macht. In Rvvereto, wo das Auserstehuugsfest
schon am Charsamstag vormittags gefeiert wird, lausen die Knaben mit klingenden Schellen
dnrch die Stadt, sobald die Glocken zum Gloria wieder geläutet werden.
Allerseelen ist ein Fest, welches dem Volke zu Herzen geht. An vielen, wenn nicht
an allen Orten wird am Vorabend mit Zwischenpausen bis Mitternacht ernst und feierlich
geläutet. Mau stellt eine Schüssel voll Wasser oder Suppe oder andere Speisen auf den
Tisch, damit die armen Seelen, welche in dieser Nacht in ihre Häuser zurückkehren, ihren
Durst löschen oder ihren Hunger stillen oder doch sehen können, daß man ihrer freundlich
gedenkt. Am Allerseelentag betet der Priester ans den Gräbern, wofür die nächsten Ver-
wandten von Todten, für welche gebetet wird, Geldmünzen in ein Kesselchen, welches der
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch