Seite - 307 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13
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Mehner trügt, zu werfen pflegen. Am Morgen werden auch von Wohlhabenderen Brot-
stücke, welche eu7. oder heißen, an die Armen vertheilt. Sonst hält man in Wälsch-
tirol in der Regel nicht viel anf die Pflege und Zier der Friedhöfe. In den Dörfern ist
der Ruheplatz der Todten meist nur ein von einer Mauer umfangener Grasanger; in der
Mitte steht eiu großes hölzernes Kreuz, an den Mauern ist da und dort ein bescheidenes
Denkmal zu sehen.
Längst vorbei ist die Zeit, in welcher man am Tage der heiligen Märtyrerin
Katharina (25. November) weder ein Mühl- noch ein Wagenrad gehen ließ, weil man
sonst der Heiligen wehegethan haben würde.
Das Fest der Kinder ist für die Knaben St. Nikolaus (6. December), für die
Mädchen aber St. Lucia (13. December). In der Vornacht legen die Kinder einen mit
Kleie gefüllten Schuh vor das Fenster. In der Nacht kommt der Heilige oder die Heilige
mit dem Eselein, welches die Kleie frißt, wofür die erkenntlichen Heiligen allerlei kleine
Geschenke in den Schuh stecken.
Die Verlobungs- und Heiratsbräuche haben sich in älterer Form nnr noch in
abgelegenen Thälern erhalten. Verschieden ist das Verhalten der Brautleute während der
drei kirchlichen Aufgebote; meistens suchen sie mit einander eine andere Dorskirche auf.
In Fassa aber erscheint die Braut beim ersten Aufgebot mit einer weißen Schürze, dem
Zeichen der jungfräulichen Ehre, in der Kirche. Ähnliches war einmal auch in Val Tesino
Brauch. Wenn dort ein Jüngling ein Mädchen freite, so nahm sich die Begehrte acht Tage
Bedenkzeit, erschien aber am Sonntag mit einem weißen Bande in den Zöpsen in der
Kirche. Da kamen nun einmal an einem Sonntag acht Mädchen zugleich mit diesem
Schmuck in der Kirche zusammen und sahen sich verwundert an; es stellte sich aber heraus,
daß ein muthwilliger Juuge um alle acht, ohue daß eine von der anderen wußte, zugleich
sich beworben hatte. Was folgte, läßt sich denken; mit der alten Sitte war es seither für
immer vorbei.
Beim Gang zur Trauung haben die Brautleute ihre Führer, welche verschiede«
beuaunt werden. In Fassa sind es die eamaritsek und die camurites, die beiderseitigen
nächsten aber ledigen Verwandten beiderlei Geschlechts, ohne welche es keine lnstige
Hochzeit gibt. In der Gegend von Pergine wurden die Brautleute vou den sogenannten
diümoli, wie sie auch iu Fleims heißen, begleitet, von denen der eine auf eiuem Stock
eine lebende Henne, der andere Rocken und Spindel mit Flachs trug. Kam der Zug aus
der Kirche zum Haus des Bräutigams, so wurde der Braut die Hausthür versperrt und
die Schwiegermutter fragte, was sie wolle. Erst nachdem die Braut alle Versicheruugen
eiues guten Benehmens, wie es einer Hausfrau ziemt, namentlich das Versprechen des
Gehorsams gegen ihren Eheherrn gegeben, durfte sie iu das Haus eintreten. Öfter noch,
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch