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Volksschauspiel und Theater. Die ältesten dramatischen Versuche Wälfch-
tirols findet man in den sogenannten dramatischen 1-aucke, welche von den Geißlerbruder-
schasten bei ihren Umzügen gesungen wurden. Geschichtliche Urkunden geben uns sichere
Belege von dem Bestehen solcher Bruderschaften in Trient, in Arco, in Rendena und in
Sopramonte. Alles berechtigt zur Annahme, daß auch in anderen Ortschaften Wälschtirols
schon im XIV. Jahrhundert Geißlerbruderschaften bestanden, sowie noch heutzutage beinahe
in jeder Stadt, in jedem Marktflecken und Dorf dieses Theils des Landes die eine oder
die andere Bruderschaft besteht. Jedoch findet der Gebrauch, einen Stachelgürtel zu tragen
und sich zu geißeln, nur mehr ausnahmsweise von Seite einzelner Personen statt. In
einigen Orten singt man noch heutzutage Lobgesänge (1>aucki), wie z. B. den so schönen
,?ianto cki Naria-, welcher von A. Zenatti gesammelt und herausgegeben worden ist. Es
ist noch nicht lange her, daß in der Charwoche von mehreren Personen der eine oder der
andere Lobgesang (I^aucie) gesungen wurde. Dabei hatte eiuer die Rolle des Erzählers,
andere stellten Maria oder den Johannes dar, gerade so wie die ersten Geißler ihre
dramatischen Loblieder sangen.
Hieraus entwickelten sich die geistlichen Spiele. Sie reichen in frühe Zeit zurück.
Eine Urkunde der Stadt Riva erzählt uns von der „Darstellung des Leidens und der
Auferstehung Christi" auf dem Stadtplatz am 26. Juni 1536. Mariani schildert in
seinem Werke über Trieut (1673) einen großartigen Umgang, den man jährlich in der
Nacht vom grünen Donnerstag in Trient zu halten pflegte, wobei eben die Geschichte
des Leidens Christi aufgeführt wurde. Auch in anderen Ortschaften Wälschtirols führte
man derartige bildliche Vorstellungen auf, insonderheit in Ala mit außergewöhu-
lichem Gepränge, worüber sich Gedächtnißschriften schon seit 1634 vorfinden. Großartig
mußte jene vom Jahre 1728 gewesen sein, an der sich über hundert Personen be-
theiligten, welche, in Gruppen vertheilt, die hervorragendsten Begebnisse des alten und
des neuen Testaments, von der Verstoßung der hoffährtigen Engel bis zum Tode Christi
darstellten.
Eigentliche geistliche Dramen führt man im Fasching und am Fest des Schutz-
heiligen des Ortes noch jetzt in mehreren Gegenden Wälschtirols auf, und diese Sitte
war einstens allgemein. In der Bibliothek der Stadt Trient sind einige fliegende Blätter
und kleine Druckhefte aufbewahrt, in welchen die Titel von einigen der in Trient
und in den umliegenden Dörfern aufgeführten geistlichen Schauspiele, ihr Inhalt
und die Namen der Personen, welche dabei mitgewirkt haben, verzeichnet sind. Darnach
wurde am 21., 25. und 28. April 1764 zu Trient .11 Nartire ^arFvIetw" oder
tragische Vorstellung des Märtyrertodes vom unschuldigen Trientiner San Simone
aufgeführt; am 5., 12. und 19. September 1790 zu Vigolo Vattaro das geistliche
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch