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Dialect und Dialectdichtnng der Italiener in Tirol.
„Jede Provinz liebt ihren Dialeet: denn er ist doch eigentlich das Element, in
welchem die Seele ihren Athem schöpft." So schrieb Goethe mit Recht in den Tage-
büchern über seine Erlebnisse (Aus meinem Leben, VI. Buch).
Das Wichtigste in einer Sprache ist die selbständige Entwicklung, die unmittel-
bare Darstellung des Gedankens, und wo immer diese Eigenschaften der Sprache
fehlen, kann das Volk seine Gedanken nicht gut ausdrücken und stößt wohl anch im
Denken selbst auf Hindernisse. Der Dialeet schöpft eben ans dem lebendigen Gebranch
jene Biegsamkeit, jene Gewandtheit, jene markige Kraft und jene staunenerregende Fein-
heit in der Auffassung selbst der geringsten Begriffsunterschiede, die man leider oft
in der edleren Sprechweise vermißt. Daher dürfen wir, wie groß auch die Vortheile
der vollkommenen Gleichförmigkeit der volksthümlichen Sprechweisen mit der Schrift-
sprache in einem ganzen Lande scheinen mögen, doch nicht den vollständigen Sieg der
letzteren über die verschiedenen Mnndarten herbeiwünschen, wenn anch dieser Sieg
vielleicht möglich wäre.
Wälschtirol hat wie jede andere Gegend seine Mundarten, seine Unter- und Neben-
mundarten. Die eine uud die andere Mundart kann sich einer eigenen Literatur rühmen,
welche theils vom Volke selbst geschaffen und theils die Frucht des Fleißes und der Arbeit
von bekannten Verfassern ist.
Allerdings ist es richtig, daß die Unterschiede der mundartlichen Sprechweisen desto
mehr verschwinden, je größer der Einfluß der Kanzelsprache, der Schulsprache, der
Sprache der Beamten nnd der gebildeten Leute im Allgemeinen wird und je mehr die
Einwohner der verschiedenen Thäler, Städte und Ortschaften des italienischen Theils des
Kronlandes Gelegenheit haben mit einander zu verkehren. Die Dialecte aber werden
deßwegen nicht ganz aussterben, und wenn auch die mundartlichen Denkmäler immer
seltener werden, wird man nichtsdestoweniger jene, welche uns verbleiben, als Hilfsmittel
benützen, um sprachliche und ethnographische Fragen klarzustellen und die natürlichen
Anlagen, die Cultur und die sittlichen und gesellschaftlichen Zustände jener Orte, wo sie
geschaffen wurden, richtig zu beurtheilen.
Um die Erforschung der Mundarten und um die mundartliche Literatur Wälschtirols
machten sich vor allen verdient: Giuseppe Valeriana Vannetti von Rovereto noch
im vergangenen Jahrhundert und in der Nenzeit Aseoli, Azzolini, Boehmer,
Gärtner, Malsatti , Agostiuo Perini , Schneller, Sulzer und mehrere gelehrte
Trientiner, die ihre Arbeiten nach und nach im „^rellivio l'rentino" nnd im ,^nnuaric>
ckella soei^tä 6e»Ii alpinisti triäentini" veröffentlichten, welche zwei periodische Schriften
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch