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Mundarten und deu oberitalischeu Dialecten dauert übrigens bis auf den heutigen
Tag fort und dürfte bei dem Umstände, daß eine natürliche geographische Grenze
zwischen den beiden Dialectgrnppen nicht besteht, noch lange seinen endgiltigen Abschluß
nicht finden.
Der Übergang vom Ladinischen zum Italienischen oder besser zum Lombardisch-
Venetianischen ist kein plötzlicher, sondern ein allmäliger und wird durch gewisse Dialecte
vermittelt, welche, ohne sich in ihren lautlichen Erscheinungen ausschließlich zu einer der
beiden großen Dialectgrnppen zn bekennen, abwechselnd bald mit der einen, bald mit der
anderen Abtheilung gehen; derartige Idiome kann man Misch- oder Übergangs-
dialeete ueuueu. Von diesen ganz verschieden sind die deutschen Enclaven, namentlich
im westlichen, theilweise auch im centralen ladinischen Sprachgebiet, und die slavischen
im östliche» Theile, die uur iusoserue von Bedentnng sind, als sie zur fortwährenden
Sprachgrenzenverschiebnng wesentlich beitragen, weniger jedoch die ladinischen Grenz-
bezirke lautlich oder morphologisch beeinflußt»; dagegen läßt sich in letzterer Hinsicht
eine mehr latente, aber deshalb um desto sicherer vorschreiteude Überwucherung des
lombardischen und venetianischeu Elementes in den ladinischen Idiomen namentlich von
Tirol nicht in Abrede stellen. Am empfänglichsten für die Aufnahme derartiger Erschei-
nungen zeigt sich in Tirol das Noce- und Sarcagebiet , also Sulzberg und Nonsberg
einerseits, Jndicarien anderseits; die ladinischen Sprachphänomene, welche uns in diesen
Thälern iu eiueiu uach den einzelnen Gegenden verschiedenen Grade noch jetzt begegnen,
stellen es anßer Zweifel, daß die Ladinität ehemals anch hier in einem blühenden Znstand
war; namentlich läßt sich dies von Nonsberg leicht nachweisen, und dennoch hat in allen
drei erwähnten Thälern das Lombardische und Venetiauische solche Fortschritte gemacht,
daß die dortigen Idiome kaum mehr den Namen von Mischdialecten verdienen. Nicht viel
anders verhält es sich mit Trient, wo man noch ganz deutliche Spuren ehemaliger
Ladinität antrifft. Ungefähr dieselbe Gestaltung zeigt die Mundar t des untere»
Avisiogebietes; das Eembrathal deckt sich bezüglich seiner lautlichen Erscheinungen fast
ganz mit Sulzberg und Nonsberg; wie hier überwuchert auch dort venetiauisches Element;
die Mundart der Bewohner des Fleimsthals, uameutlich die des Hauptortes Eavalese,
weicht sast in nichts von dem Idiom ab, welches man in Trient vernimmt; der Handels-
verkehr, den die Trientiner mit den Cavalesern stets unterhalten, mag zur Gleichförmigkeit
ihres Idioms viel beitragen. Dagegen bekennen sich die Mundarten von Predazzo nnd
Mo'e'na entschieden schon zu den Mischdialecten und vermitteln den Übergang von
den südtirolischeu Muudarteu zum Ladinischen. Je mehr wir uns dann von hier thal-
answärts den Quellen des Avisio nähern, je deutlicher uns die Umrisse der im Hintergrund
gewaltig uud majestätisch emporstrebenden Sellagrnppe entgegentreten, desto reiner, desto
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch