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aber durch Lautsubstitution wie in vari aus warjan. Die zweite Kategorie betrifft solche
Wörter, welche aus dem Neuhochdeutschen stammen oder aber, wie dies speciell vom
Ladinischen Tirols gilt, vom jetzigen Tiroler Dialect eingeschmuggelt werden und, da sie
sich den ladinischen Lautgesetzen nicht mehr anpassen können, auch vom Laien sofort als
Fremdwörter erkannt werden. Unter den drei ladinischen Sprachgebieten ist aus nahe-
liegenden Gründen Graubüudeu am reichsten mit Germanismen bedacht, etwas spärlicher
Tirol, am wenigsten Friaul, das sich aber dafür durch eine wenn auch nicht geradezu
starke Aufnahme von slavischen Bestandtheilen entschädigte, während in Tirol das
Slavische fast gar keine Spuren hinterlassen hat. Die Frage, ob in den ladinischen
Idiomen sich Spuren einer vorrömischen Sprache vorfinden, muß in Anbetracht der nicht
unbedeutenden Zahl etymologisch dunkler Wörter im Ladinischen entschieden bejaht werden,
allein dieselben einer bestimmten Sprache, etwa der rhätifchen zuzuweisen, geht schwerlich
an, da man vom Rhätischen soviel wie gar nichts weiß.
Der Mannigfaltigkeit des Wortschatzes entspricht als zweiter Differenzpunkt die
Vielseitigkeit der morphologischen Erscheinungen. Hierzu gehört die Erhaltung
von Spuren einer ehemaligen Zweicasustheorie, die sich in einigen Fällen auch in Tirol
nachweisen läßt, so ennebergisch kon? (kunckus), puvöl (papilio), grödnerisch päster (pastor),
welche auf den Nominativ zurückgehen, während sonst der überlebende Casus im Singular
der Accusativ ist; nicht minder wichtig sind die Reste der Casusbildung unter wechselnder
Betonung, wie ennebergisch lerö (lalro), neben dem angmentativen lackron (Schacher,
Erzdieb), müt (Knabe), im Plural mitons, müta (Mädchen), im Plural initans; so
(soror), sorüs (sorores); Ähnliches begegnet uns in Gröben wie auch in Graubünden. Das
unpersönliche Pronomen „man" wird in Tirol und Graubünden durch unus, in Friaul
aber durch die dritte Person Plural oder das Reflexivum ausgedrückt. Lehrreich und
interessant sind die verschiedenen Gestaltungen der Pronomina inckeünita der einzelnen
Gegenden, wie ennebergisch in^üo (eFo-non-supio-ubi : irgendwo), ?ueo (non-sapio-
quo : irgendwie), 2ueün (non-supio-<zuancko : irgend einmal), insaclii (eZo-non-sapio-
quick : weiß Gott was!), invalid (ir>-v-alieudi : irgendwo). In Tirol lautet die dritte
Person Singular und Plural immer gleich, daher ennebergisch pürta (lateinisch portal
und portant), portu (portadat und xoitabant); im Friaul ist dies nur theilweise
der Fall.
Bunter als die Erscheinungen auf dem Gebiete des Sprachschatzes und der
Morphologie sind unzweifelhaft die lautlichen Verhältnisse der einzelnen ladinischen
Mundarten. Sie folgen bestimmten Regeln, die entweder gemeinladinisch sind oder aber
nur für einzelne Idiome gelten. Im Gegensatz zum Italienischen zeigt freies lateinisches
a im Ladinischen die Neigung zu e, welches verschiedene Nuancen annehmen kann;
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch