Seite - 356 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13
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städte, der helvetischen Orte Appenzells und Bündens verliehen dem Vorarlberger
Selbstbewußtsein und dadurch ein uugezwuugenes Benehme» im Verkehr mit Höheren,
das er bis heute bewahrt hat. Nehmen wir noch die fortschrittlich betriebene Landwirthschaft
uud die mächtig herangewachsene Industrie, so erklärt es sich, daß das Läudcheu schon auf
manchen aufmerksamen Beobachter fast den Eindruck eines Cantous der Schweiz machte.
Wie jenseits des Rheins behauptet auch diesseits der Verstaud ein gewisses Übergewicht
über das Gemüth. Man rühmt immer die schnelle Auffassung und das anstellige Geschick
des Vorarlbergers. Das Ländchen hat viele Mechaniker und Baumeister, auch namhafte
Bildhauer und Maler, aber nur wenige Dichter uud eiue uoch geringere Zahl von Ton-
künstlern hervorgebracht. Des Vorarlbergers Fleiß und Betriebsamkeit verdienen alles
Lob; doch tritt die hohe Bewerthuug von Erwerb uud Besitz manchmal sehr einseitig
hervor. Dem ausgebildeten Verstände entspringen kritische Erwägung und scharfes Urtheil.
Seine Meinungen kleidet der Vorarlberger leicht und gern in Worte, daher ist er ein Freund
munterer Unterhaltung und weiß dieselbe durch treffenden Witz und beißenden Spott zu
würzen; es artet aber seine Beredtsamkeit nicht selten in Redseligkeit, seine Hänselei in
Streitsucht aus. Sein Selbstbewußtsein steigert sich wohl zur Eitelkeit, seine Vorliebe für
die Heimat bekommt den Beigeschmack des Cantönligeistes. Der Sinn des Volkes für
Gerechtigkeit und Billigkeit uud für edle Wohlthätigkeit hat sich oft bewährt. Wenn in den
Jndustriebezirkeu Hang zum Wohlleben und Aufwand sich zeigt, so finden wir hingegen
wieder Sinn für echte Häuslichkeit, für ein behagliches Heim uud rühmliche Pflege der
Reinlichkeit. Diese letztere tritt uameutlich in Mittelberg, im Bregenzerwalde, auf dem
Tannberg und im Montavon hervor. Des Vorarlbergers Vaterlandsliebe hat sich im
Laufe der Jahrhunderte glänzend bewiesen. Aufrichtige religiöse Gesinnung finden wir
zumal in den hohen Thälern — „da dreht sich Alles um Gottesdienst und Tageswerk",
wie schon Ludwig Steub bemerkt.
Die Bewohner der einzelnen Landestheile zeigen besondere Eigenschaften. Im
unteren Rheinthal finden wir mehr Lebenslust, mehr Freude an Saug und Klang, mehr
Gemüthlichkeit als im oberen. Der Vorderwälder gibt sich offener und mittheilsamer als
der Hiuterwälder, der bedächtiger und verschlossener seine Wege geht. Außerhalb seiuer
Marken gilt der Wälder als stolz, aber auch als vorsichtig und stark beeinflußt vom Willen
der Gattin. Dagegen sagt der Mittelberger: „As bitzle Schnaps und as bitzle Wiberroth
(Weiberrath) ist gnot, aber ja vo keim Theil z'viel." Der Mittelberger ist selbstbewußt,
gastfreundlich uud wohlthätig; wie seinem Vetter im oberen Walserthal ward ihm viel
Mutterwitz verliehen, den er in „Walserreden" äußert. Den Walsern wird überhaupt
Schlauheit zugeschrieben, noch mehr den Montavonern. Sparsamkeit, Fleiß und Ehrliebe
sind Haupttugenden der letzteren. Die Wanderlust der Vorarlberger zu geschäftlichen
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch