Seite - 368 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13
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einen Teller und die Gabe fällt durch eine röhrenartige Öffnung des Schäppels hinab;
daher sagt man: „Ins Schäppili helfen". In Blumenegg wird vor dem heimkehrenden
Paare die Hausthür gesperrt uud erst nach scherzhafter Wechselrede geöffnet. Einem
mißliebigen Späuslig machen im Montavon die Bursche wohl auch eine Katzenmusik.
Noch erwähueu wir des frühereu Aufputzes der Tauuberger Braut. Sie trug walserische
Trauertracht, nur daß das längere „Mieder" die Büste umschloß: schwarzer Rock, schwarz-
seidene Schürze uud über dem Mieder das „Schalkli". Um den Hals schlang sich ein
großer, schwerer „Rosenkranz" aus Cocosperleu in Silberfassung, dessen Silberkreuz und
Medaillon am „Fürtuch" auf der Brust befestigt waren; am Busen prangte auch eiu
Blumenstrauß mit vergoldetem Rosmarinzweig; der„Schappel", die hängendenZöpfe und
bunten Bänder erinnern uns an die geschilderte Tracht der Montavonerin. In der Hand
hielt die Braut ein in Duodez gefaltetes uud für diese Form festgenähtes farbiges
Taschentuch, das an der oberen Schmalseite mit kleinen vergoldeten Rosmarinzweigen
besteckt war.
Wenige Besonderheiten entfalten die Todtenbräuche, sie bestätigen aber durchaus
den frommen Sinn des Volkes. Erwähnt möge werden, daß weder am Sarg eiserne
Nägel noch am Gewand des Todten metallene Knöpfe, Haften und dergleichen sich
fiudeu dürfen; sie könnten durch heftiges Brennen die Leiden des Verblichenen im Feg-
feuer mehren. Diese Meinung und ähnliche früher erwähnte leiten uns hinüber in das
Gebiet der Mythe.
Mau erzählt noch heute vou allerlei geheimnißvollen Wesen, die zumal die höhereu
Alpeugegeudeu bevölkern, und der Glaube an das Vorhandensein solcher Gestalten ist noch
keineswegs geschwunden, so sehr auch Zweifel uud selbst Spott in einzelnen Fällen ver-
lauten. Fast allenthalben kennt man das „Nachtvolk", das im Unterland „Wuethas", im
Walde „Muethas" heißt. Im Gebiete der Silvretta Hausen die „Fenken", Männer und
Weiber mit Haaren bedeckt; sie verdingen sich auch als Hirten und Mägde und gleichen
den „wilden Leuten". In ihnen lebt die Erinnerung au die Ureinwohner fort. Die „Bütze"
trennen sich in die beiden Hauptarten der Haus- uud Alpeubütze; die ersteren bewähren
oft eine gewisse Gemüthlichkeit, die letzteren treiben besonders nach dem Abzug der
Hirten vou de» Hochalpeu dort ihr Wesen. Viele Bütze unterscheiden sich durch nichts von
den „Geistern"; nach der Anschauung der Walser sollen aber einige den gefallenen Engeln
angehören; noch andere sind recht eigentlich mythische Wesen, wie das „Doggi" und der
„Schrättlig": bösartige Hausgeister, dem unheimlichen Geschlecht der Nachtmaren ver-
gleichbar. Die „Venedigermännlein", angeblich fremde steinkundige Leute, stellen sich zu deu
germanischen Zwergen. Schatzsagen gibt es fast von allen Bnrgen des Landes. Riesen
werden wegen ihrer Unthaten versteinert oder thun sich als erfahrene Baumeister hervor.
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch