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und „Egen" (Egno), der letzte Graf von Eppan". Beide überragte der mit sich und der
Welt zerfallene Senn. Sein Lied: „Adler, Tiroler Adler, warum bist du so roth?" ist
zum wahren Volkslied geworden, sein süßes Schwauenlied, von Fr. Schuberts Melodie
getragen, flog in weite Kreise, seine Epigramme enthalten tiefsinnige Gedanken und aus
seinen Jesuitensonetten klingt ein im Bergland bisher ungewohnter freisinniger Ton wie
Hahnenruf bei grauendem Morgen.
Während unsere Dichter in verschiedenen Weisen ihren patriotischen und religiösen
Stimmungen Ausdruck gabeu und nur selten über das Gebiet der Poesie hinausgriffen,
bildete sich im Stillen das „Tschötscher Joggele" zu einem der ersten Prosaisten seiner
Zeit heraus. Der Knabe, der in der bachdnrchranschten Thalschlucht von Schalders die
Ziegen gehütet und dabei den Melodien des stürzenden Wildbachs und der Sänger des
Waldes gelauscht hatte, erschien Plötzlich als bewunderter und gefeierter „Fragmentist",
der durch den Wohlklang seiner Sprache, durch den feinen attischenWitz und diepoesievollen
Landschaftsbilder jeden Leser entzückte, — zugleich aber anch zn ernsten Gedanken auf-
forderte, indem er mit dem Seherblick eines Propheten auf die uaheudeu Kämpfe um das
goldene Horn und die Schicksalsstadt Stambnl hinwies. Ein geheimnißvoller Wandertrieb
zieht uns Tiroler nicht nur nach dem sonnigen Süden, sondern auch nach den märchen-
haften, geheiligten Stätten des Ostens. So trug es einst Oswald von Wolkenstein zum
Schwarzen Meere, wo er Schiffbruch litt, und so wanderte vierhundert Jahre später
Philipp Jakob Fallmerayer (1790 bis 1861) an denselben Ufern: er malt uns die
Comneneustadt Trebifouda, den ewig grünen Buschwald von Kolchis, die frommen Stätten
des heiligen Berges Athos in so bezaubernden, farbensatten Tönen, daß wunderbare
Sehnsucht jeden Leser erfüllt, so daß er nur gleich zum Pilgerstab greifen und die
bestrickenden Reize jener Gegenden mit eigenen Augen genießen möchte. Reichthum au
großen Gedanken, harmonischer Redefluß, ein edler getragener Stil, heitere Ironie und
treffende Satire zeichnen alle Schriften Fallmerayers, auch die Essays und die kleinen
Recensionen aus. Wie der Fragmentist, Unheil ahnend, nach dem Osten und dem gewitter-
brauenden Norden schaut und das deutsche Volk zur Sammlung und Eintracht auffordert,
um dem Sturm, der unserer Gesittung und Bildung droht, mit vereinter Kraft zu wehren,
wendet auch Hanns von Perthaler (geboren zu Olaug im Pusterthal, gestorben in hoher
Stellung zu Wien am 11. März 1862) seine scharfen Blicke häufig auf die dunkeln Wolken,
die am östlichen Horizont aufsteigen. Einer der edelsten und geistreichsten Söhne unserer
Berge, tritt er in seinen formvollendeten und inhaltsschweren Schriften für Österreichs
und Deutschlands Größe und Macht ein, wie für Bildung jeder Art und besonnenen
Fortschritt. An Fallmerayer erinnern auch seine vielseitigen, besonders historischen und
staatsmännischen Kennwisse und seine männliche Gesinnung. Seine politischen Schriften
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch