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durch Erker belebt ist, den deutschmittelalterlichen Charakter an sich. Wie in der kirchlichen
Architektur, so hat sich auch im Profanbau des nördlichen Landestheils die gothische
Bauweise lange erhalten nnd ist insbesondere die Anordnung mehrgeschoßiger Erker fast
zur Regel geworden. Die zahlreiche Anwendung der Erker zur wohnlicheren Gestaltung
der Juneuräume und zur Belebung der Fanden ist aus der mittelalterlichen Bauepoche
in Nordtirol auf alle späteren übertragen worden, so zwar, daß dieses Bauelement der
Landesarchitektur ein besonderes Gepräge verleiht, nicht nur hinsichtlich der städtischen,
sondern auch der ländlichen Wohnbauten. Ein besonderer Schmuck durch reichere archi-
tektonische Gliederungen an Fensterumrahmungen und Gesimsen, wie solcher an dem
schönen gothischen Erker des um 1524 erbauten Sterzinger Rathhauses vorkommt, ist
indeß bei solchen Wohnbauten nur selten zur Anwendung gekommen. Die im Centrum
der Städte an den Marktplätzen gelegenen Bürgerhäuser am Ende des Mittelalters
waren in der Regel im Erdgeschoß mit Bogengängen, sogenannten „Lauben", versehen,
wie solche noch in Innsbruck, Sterzing, Brixen, Klausen, Bozen, Meran theilweise
erhalten sind. Auch finden sich bei diesen vornehmeren Bürgerhäusern die Brüstungsfelder
der Erker mit Bleudmaßwerk oder Wappenschilder» geziert, die Portale reicher gegliedert
und die Gewölbeflächen mit engmaschigem, zumeist in Mörtelverputz hergestelltem Rippen-
werk überzogen.
Es war schou die zweite Hälfte des XVI. Jahrhunderts verflossen, als in Tirol die
Zierformen der Renaissance sich an den kirchlichen Bauten allmälig entfalteten, während
die coustructiveu Bauelemente des Mittelalters noch bis in das XVII. Jahrhundert ihr
angestammtes Recht behaupteten. So kam es, daß die schon früher erwähnten Kirchen
S. Maria Maggiore in Trient und die Pfarrkirche von Civezzano nur formal dem Stil
der Renaissance entsprechen, sowie auch die von 1553 bis 1562 erbaute Hoskirche zu
Innsbruck. Erst die unter Erzherzog Ferdinand II. gegründete Jesuitenkirche in Innsbruck
ist auch in ihrer Anlage der neuen Bauweise entsprechend. An diesem schönen Bauwerk
ist die Kreuzform mit der Kuppel in Verbindung gebracht und an den beiden Enden der
aus Nagelflue erbauten Giebelfront sind Thürme angelegt, welche leider nicht zum Aus-
bau gelangten.
Die zur selben Zeit entstandene Kirche des Damenstiftes zu Hall, welche heute nicht
mehr zu Eultuszweckeu verwendet wird, ist durch einen Thurm mit reichgegliedertem Helm
von seltener Schönheit ausgezeichnet. Es gibt wenige Beispiele ans dieser Architektur-
epoche, bei welchen der Übergang des vierseitigen Thurmkörpers in das Achteck des
Helmes so glücklich durchgeführt wurde wie an diesem Thurm der Haller Stiftskirche.
Obwohl erst am Beginn des XVII. Jahrhunderts entstanden, ist die kleine
Jnviolatakirche in Riva am Gardasee ein Bau, der noch in deu reinsten Formen italienischer
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Buch Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Band 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Band 13
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Tirol und Vorarlberg
- Band
- 13
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1893
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.12 x 23.1 cm
- Seiten
- 624
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch