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Wohl um keine der heutigen Großstädte Enropas hat Klios ältere Genossin einen
duftigeren, einen sinn- und poesievolleren Kranz gewoben, als um deu Ursprung der
uralten Premyslidenstadt. In den Jahren, die dem großen antinapoleonischen Befreiungs-
kampfe vorangingen, war Prag der Zufluchtsort eiuer Anzahl der auserlesensten
Geister Deutschlands, und welch tiefen Eindruck hat auf sie „die wundervolle Stadt, in
der jeder Stein Geschichte predigt", und haben auf dichterisch veranlagte Naturen die
Sagen ans der böhmischen Vorzeit gemacht! Einer von ihnen war Clemens Brentano,
den, von einheimischen Gelehrten wie Abb6 Dobrovsky unterstützt, „die Gründung Prags"
in hohem Grade fesselte; er verarbeitete den Stoff zu einer dramatischen Dichtung, die
1815 iu Pest herauskam. Er verlegt die Haudluug in die Jahreszeit der „slavischen
Frühlingsserien" nnd örtlich an die halbverfallene Hütte des weisen Krok neben dem
uralten Baume, mit welchem seine Niva-Egeria, „deren Leben mit dem ihrer Eiche
verwachsen war", von einem Blitzstrahle getroffen, zersplittert und getödtet worden
war. Wir finden da die drei Töchter Kroks, die kräuterkundige Kasi (Kazi), die götter-
begnadete Teta und, beide an hohem Geist überragend, Libnssa (Libnsa) mit ihren
waffenknndigen „Mägden" Vlasta, Stratka, Särka; von Männern den klngen Primislans
(Premysl) und den starken Bivoj; nur der kecke Reiter Horimir mit seinem Rosse
Semik fehlt.
Von Libnsa nun, so will die Sage, rührt die Gründung und die Benennung
Prags her. Von ihrem Hauptsitze ob dem Vysehrad sendet sie Männer auf das linke
Moldau-Ufer aus, um drüben eine neue Absiedlung zn gründen: „Und was Ihr dort
zuerst sehen werdet, nach dem soll sie heißen." Die Boten erblicken zwei Lente, die an
einem Holzblock zimmern. „Was ist es, das ihr hier anfertiget?" Eine Schwelle zu einer
Thüre — präli. „Also ?ralia, Prag, soll die neue Burg heißen!" . . . Die ernste Wissen-
schaft verwahrt sich aber dagegen, daß aus dem Maskulinum präli der weibliche Städte-
name ?raka abgeleitet werde, und geht auf die Wurzel praöiti — rösten, brennen, zurück,
was auf einen durch Brand gelichteten Waldboden hinweise» und Analogien in den
vielen deutschen Ortsnamen, die auf -brand, -reut, -rode ausgehen, haben würde. Es
liegt diese Ableitung um so uäher, als noch in geschichtlicher Zeit die Gegend bis nahe
an die Wälle der Prager Burg mit dichtem Forst bedeckt war. Doch ist auch diese philo-
logische Herleitung nicht endgiltig anerkannt und sehr die Frage, ob der Name nicht
ungleich weiter zurückreicht.
Auch liegen diese Geschichten, so poesievoll sie sind, doch schon nahe an der historischen
Zeit, da wir von Premysl und Libusa abwärts die fortlaufende Reihe der späteren
Fürsten keimen; die ersten Anfänge der böhmischen Königsstadt müssen in eine viel ältere
Zeit zurückverlegt werden.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch