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Die allerjüngste der heutigen Wissenschaften, die sich mit den allerältesten Zuständen
der Menschheit befaßt, die Prähistorik, hat aus den Tiefen der Erde die untrüglichen
Nachweise herausgefunden, daß die Gegend an der Moldau, da wo auf der linken Seite
die Beraun und der Bach Brnsnice, auf der rechten der Botie in sie münden, in vorlängster
Zeit bewohnt und reich besiedelt war.^ Denn überall in dieser Gegend, am rechten Ufer
von Premysleni über Liben, die Gottlaßka und Balabenka, Zizkov, Volsan und Nnsle
bis Modran, am linken besonders gegen Norden an der Podbaba, Särka, bei Rostok,
Holubitz, Libsitz, Üuetitz, Tursko, findet sich kaum ein heute bewohnter Ort, dessen auf-
gewühlter Boden nicht Zeugenschaft von uralter Bewohuuug dieser Stätten ablegte und
nicht ein wichtiges Glied in der ununterbrochenen Kette fortschreitender Cultur abgäbe.
Einzelne der genannten Stätten waren ohne Frage von der neolithifchen bis in die
historische Zeit besiedelt. Die wenigsten solcher Entdeckungen wurden im beidernsrigen
Mittelpunkt dieses Umkreises, also auf dem eigentlichen Boden der späteren Hauptstadt
gemacht, was sich aus dem Umstand erklärt, daß gerade hier eine auf mehr als tausend
Jahre zurückreichende Erdbewegung stattgefunden hat, bei welcher die älteren Fundorte
vorlängst durchwühlt und zerstört und die dabei ans Tageslicht gebrachten Uberreste und
Trümmer, auf deren Bedeutung damals Niemand achtete, verworfen und verloren wurden.
Aber die Thatsache, daß ringsherum in der unmittelbaren Nähe der heutigen Metropole
die ergiebigsten Funde vorgeschichtlicher Wahrzeichen gemacht wurden und immer wieder
gemacht werden, läßt auf eine ungewöhnlich dichte Bevölkerung auf diesem Raum und
besonders im Mittelpunkt dieses Raumes schließen und rechtfertigt die Annahme, daß wir
es hier mit der ältesten und belebtesten Culturstätte des Böhmerlandes zu thun haben.
Das Fundmaterial ist höchst mannigfaltig. In oft klaftermächtigen Aschenlagern
finden wir Küchenabfälle, die uns Aufschluß geben über die damalige Thierwelt; dabei
Werkzeuge und Schmuckgegenstände, aus deren Formen wir auf das Alter dieser Wohn-
sitze schließen können. Wir beobachten den Menschen in seinem Naturzustande, wir können
verfolgen, wie seine Kenntnisse, seine Kunstfertigkeit nach und nach zunehmen, wie sich
sein Geschmack läutert, seine Bedürfnisse sich steigern und verfeinern. Beginnend mit den
Erzeugnissen der neolithifchen Zeit, wo der Mensch zu Stein nnd Bein greift, um sich
aus diesen Stoffen Werkzeuge und Waffen zu formen, treten wir in das Alter der sich
einbürgernden Bronze und gewahren die Einflüsse der Hallstatter Periode. Ebenso ist
es mit den Merkmalen der Bestattung; es finden sich ältere und jüngere Skeletgräber,
Kesselgräber, Urnengräber und Grabhügel. In der Gegend von Slup unterhalb des
Vysehrad stieß mau vor einigen Jahren auf ein Grab mit Urnen, Buckelarmringen,
* Die folgenden Angaben verdanke ich der zuvorkommenden Freundlichkeit des Gutsherrn auf St. Johann unter dem
Felsen (Lv. Ivan. Lv. poä skalou. St. sub rups) Dr. Stephan Berger.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch