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Doch die Mittel des Landes waren schier unerschöpflich. Das königliche Schloß erstand
aus seinem Schutt zu neuer Pracht, uud abermals sollte eine Periode kommen, wo Prag
alle Haupt- und Residenzstädte der benachbarten Länder an Glanz und Ruhm überstrahlte.
Es war die Zeit Rudol fs II. 1575 bis 1612, wo das Schloß ob dem Hradschin der
Mittelpunkt eines großartigen, wahrhaft kaiserlichen Hofstaates wurde, wo im Wladi-
slawischen Saale, in den beidenBallhänfern, in den Hofräumen der Burg glänzende Tnrniere
abgehalten wurden, wo sich einheimischer und fremder Adel herandrängte, Gesandte und
Botschafter von nah und fern einander ablösten. In den kaiserlichen Gärten gab es einen
Bärenzwinger, eine Löwengrnbe, und es sind solche, die behaupten, die Schiller'sche
Erzählung vom „Handschuh" habe sich nicht am Hofe Franz' I. von Frankreich, sondern an
dem Rudolfs II. zu Prag begeben. Vielleicht war es auch zu Rudolfs Zeit, daß die tief
eingeschnittene Schlucht, die von der Nordseite des Hradschin und der königlichen Burg
schroff abfällt und durch die sich der Bruskabach (krusnice) nach der Moldau durch-
windet, den Namen Hirschgraben — Mem prilcopz? erhielt. Noch einen anderen Vorzug
verschaffte der eigenwillige Grübler und Sonderling auf dem Kaiserthrone seinem Prag.
Durch den Kreis geistig hervorragender Männer und anch Frauen, die er an seinen Hof
zog, uud durch die auserlesenen Kunstwerke seiner Sammlung, die er fortwährend bereicherte
und ini „Deutschen Saale" seiner Hofburg aufstellte, wurde Prag zugleich zum Hauptsitz
damaliger Wissenschaft nnd Kunst. Leider kam, jemehr der Kaiser seinem Trübsinn verfiel,
allerhand zweideutiges Volk dazu, Magier, Geisterseher, Zeicheudeuter, Goldmacher, uud
diese hielt er sogar in seiner unmittelbaren Nähe. Das Alchymistengäßchen, heute Gold-
gäßcheu — ulieka, hinter dem St. Georgskloster nächst dem „Weißen Thurm",
kennen wohl die wenigsten Prager aus eigener Anschauung, und doch ist dieser romantische
Winkel mit seinem uralten Mauerwerk, seinen uralten Häusern nnd Häuschen eines
Besuches werth.
Unter Rudolf II. hat 1606 Egid Sadeler mit großem Fleiß und sicherem Blick
eine allgemeine Ansicht von Prag gezeichnet, wie sie wohl zu jeuer Zeit keine andere
Hauptstadt im gleichen Maßstabe besaß. Wir erblicken darauf das königliche Schloß
gegen den Hradschin zu von zwei Wallgräben abgeschlossen; der frühere dritte war
damals bereits verschüttet und ausgeglichen. Das Prager Schloß hieß damals mit seinen
Schätzen und Kunstgegenständen aller Art „das achte Wnnder der Welt", der Kaiser-
garten ein „unvergleichlicherLustort der Frauen"; Rudolfs Zeitalter wurde für Böhmen
als das „goldene" gepriesen.
In politischer und kirchlicher Hinsicht konnte es das „eherne" heißen, denn der
Einfall des zügellosen Passauer Kriegsvolkes, das 1611 in den Prager Städten vandalisch
hauste, war nur ein Vorspiel dessen, was mit dem Fenstersturz 1618 über die Hauptstadt
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch