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aus — nahm die lange Mauer des gräflich Wratislav'schen Gartens ein; rechts ab im
Dorfe Kosir der schöne Elam'sche Park und etwas weiter landeinwärts die Cibnlka,
ein ausgedehnter Park des ehemaligen Fürstbischofs von Passau Grafen Leopold Thun;
sonst in den Bergen noch einige bescheidene Landhäuser mit Gärten, darunter die Mozart-
berühmte Bert ran ka. Am rechten Ufer außerhalb der Stadt konnte man die Krenn'fcheu
und Wimmer' schen Anlagen und den schönen Park des Grafen Canal, etwas ent-
fernter einige zerstreute Villen, dann längs des Boticbachs die Dörfer Nnsle und
Vrsovitz zum Weichbild von Prag rechnen.
Die Stadt selbst hatte in mehr als einer Hinsicht etwas Düsteres. Sie heimelte au
durch die Fülle und Wucht der Erinnerungen, die sie überall aufwies, aber diese Erin-
nerungen waren zu einem großen Theile keine freundlichen. Als Wohnort war ihr eine
übermäßige Reinlichkeit nicht nachzurühmen und die Straßenbeleuchtung so kümmerlich,
daß noch in den Fünfziger-Jahren, wo die Firma Steffeck-Friedland die Gasbeleuchtung
übernommen hatte, der boshafte Witz gemacht wurde: „Nacht muß es sein, wo Friedlands
Sterne leuchten." In der Neustadt waren viele von den weiten Plätzen und breiten
Straßen für Fußgänger und Wagen etwas unbehaglich gepflastert oder entbehrten einer
Pflasterung ganz; der Viehmarkt in seiner großen Ausdehnung hatte Hügel und Thäler, bei
trockener Witterung Staub zum Ersticken, an nassen Tagen Koth zum Versinken. Von Privat-
häusern waren selbst in der Neustadt nicht besonders viele von heiterem Comfort zu fiudeu;
jene in der Altstadt, der Kleinseite, am Hradschin durchaus massiv, oft mit übermäßigem
Kraftaufwand gebaut, hatten dunkle Eingänge oder Thorfahrten, noch dunklere Stiegen,
wo man sich am Geländer hinauftappen mußte, auf den Stiegenabsätzen häufig ein Heiligen-
bild, wohl auch ein glimmendes Lämpchen davor. Manche Außenseiten waren bemalt, aber
auch diese Darstellungen waren durchaus ernst; auf dem Heuwagsplatz die „sieben Kur-
fürsten", unter dem Vysehrad die sieben böhmischen Herzoge. Geradezu schrecklich waren
die Wandmalereien im Kreuzgang der Franciscaner bei Maria-Schnee, Abbildungen der
Qualen und Schlächtereien, denen ihre Vorfahren bei Erstürmung des Klosters durch die
Husiten erlegen waren. Von einigem Leben in den Straßen konnte eigentlich nur in der
Zeltner-, in der Eisen-, in der kleinen und großen Jesuitengasse, den Hauptadern des
damaligen Verkehrs, die Rede sein; am bewegtesten war es in der dicht bevölkerten
finstern, winkligen und engen Judenstadt, dann auf dem christlichen und jüdischen
Tandelmarkt in der Schwefel- und Galli-Gasse. Kutschen, sowohl Miethwagen als eigene,
unterbrachen nur selten den Verkehr, am meisten noch im Winter, den der reiche Adel in
der Stadt zuzubringen pflegte. Die Einkehrhäuser kostines), etwas euphemistisch
Gasthöfe und Hotels genannt, hatten für Fremde, wie ich in meiner Jugend selbst aus
dem Munde eines solchen gehört, etwas „Schofles".
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch