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heimgesuchte und in überraschend kurzer Zeit wieder hergestellte böhmische National-
theater — »Näroä sodö" —, zur andern den schönen Quai mit der Reiterstatue
Kaiser Franz' I., umgeben von den Repräsentanten der ehemaligen sechzehn Kreise des
Landes, und vor uns den Ausblick durch eine breite und lange Straßenzeile.
Wenn Hormayr Prag im Monat Mai in der allseits frischgrünen und blütenvollen
Umrahmung schön nannte, so ist der Stadt ein Reiz anderer Art, sinnvoll und poetisch,
an sonnenhellen Herbsttagen eigen, wo ein leichter Nebel den Anblick nicht stört, sondern
verklärt, indem er die etwas entfernteren Gegenstände, vor Allem die die Stadt
beherrschenden Großbauten des Hradschin mit einem duftig-feinen Schimmer umzieht.
Denn was das heutige Prag so iuteressaut macht und das Auge des Beschauers fesselt,
ist das Gemisch von Altem und Neuem in seinen Bauten, die hart aneinanderstoßen und
sich zu dem ansprechendsten Stadtbilde vereinigen, mit Grillparzer zu sprechen „das
Häusergewühl durch sonderbare Thürme und hervorragende Gebäude alter Art wohlthuend
unterbrochen und in Partien gesondert". In einer begeisterten Schilderung an den
Architekten Adolf Lange nennt Viollet-le-Due den Eindruck, den der Anblick Prags
auf ihn gemacht, geradezu zauberhaft (keerique) und sieht sich in eine der Prachtstädte des
Mittelalters versetzt, „keineswegs eine verlassene und verödete, sondern eine voll Leben,
jung und frisch, arbeitssam und thätig, und dabei stolz auf ihre Denkmale, auf deren Pracht
und Glanz".
Wir wenden uns dem Innern der Stadt zu. Die schöne und breite Straße, die wir
vor uns haben, war früher von einer Doppelreihe von Kastanien durchzogen und die
„Neue Allee" genannt; die Bäume wurden unter dem Primätorate des Bürgermeisters
Dr. Wenzel Belsky in den Sechziger-Jahren gefällt. Am oberen Ausgang der nun-
mehrigen Ferdinandsstraße machen wir über den kleinen Platz mit dem Sitzbild
Joseph Jungmanns, des böhmischen Adelung, einen Abstecher zu den Franciseanern
mit der Kirche „Maria Schnee", in deren Innerem der imposante Barockbau des Hoch-
altars unsern bewundernden Blick fesselt. Die früher erwähnten Wandgemälde im Kreuz-
gang des Klosters siud leider übertüncht worden; es waren gewiß keine Kunstwerke,
allein als geschichtliche Erinnerung ist ihr Verschwinden zu bedauern. Durch ein
schmales Gäßchen, dessen gothisches Ausgangsthor vor Jahren von seiner Stelle
gerückt und abseits irgendwo an die Klostermauer versetzt wurde, befinden wir uns am
Ende der Obstgasse; sie bildet eine Fortsetzung der Ferdinandsstraße und mündet, als
weitere Fortsetzung, in die schönste, breiteste und regelmäßigste Straße Prags ein. Diese
hieß, nachdem die Scheidung der Altstadt von der unteren Neustadt geschwunden, das
heißt ausgefüllt und geebnet war, der Graben, ist zu Anfang der Vierziger-Jahre
„Kolowratstraße" geheißen worden, nach dem Staats- und Conferenzminister,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch