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Die zwischen dem Staatsbahnhof und dem Backhaus sich gegen die innere Stadt
hinziehende „Hibernergasse" zierten in meiner Jugendzeit eine Reihe von Palästen
ans der Barockzeit: der Familien Ahsbahs, Nostitz-Rienek, Kinsky, Lobkowitz, Des Fonrs;
die ersteren zwei stehen noch heute, zum Theil im Besitz uud Gebrauch der k. k. Finanz-
laudesdirectiou; von dem größten und schönsten, dem Kinsky'schen, steht nur mehr ein
Drittel, ein Anblick zum Erbarmen für jeden, der denselben in seinem früheren Bestände
gekannt hat; er besaß einen Garten mit reichen Glashäusern, die wohl auch schon ver-
schwunden sind. Aus dem Des Fours'scheu einstöckigen Palais ist ein dreistöckiges Zins-
haus geworden.
Die linke Ecke der Hibernergasse gegen die Henwagsgasse bildet das „Hotel de
Saxe", die rechte der Gasthof „Znm blanen Stern" , durch das vorspringende Privat-
haus „Zum eisernen Mann" geschieden von dem ältesten der heutigen Prager Gasthöfe
„Zum schwarzen Roß", alle drei nicht mehr „schofel" wie anno dazumal, sondern im
modernen und eleganten Stil geordnet und eingerichtet.
Von dem Standpunkt, den wir jetzt einnehmen, haben wir neben dem ehemaligen
„Königshof", jetzt k. und k. Kadettenschule, den „Pulver thurm" vor uns, in seiner über-
reichen gothischen Ausschmückung ein Werk des genialen nnznnftmäßigen Architekten Rejsek
von Proßnitz, aber von diesem in seiner Bekrönnng nicht ausgeführt uud später mit einem
bloßen Nothdach versehen. Mit dieser schmucklosen Haube lebt er iu der Erinnerung der
älteren Generation der Prager, bis der Stadtrath den Beschluß faßte, dem Prachtban
Rejseks ein stilgerechtes Dach aufzusetzen, was Dombaumeister Joseph Mocker, aus
Friedrich Schmidts Schule hervorgegangen, mit anerkenuenswerthem Geschick ausführte.
Durch den Pulverthurm gelangen wir nunmehr in die Altstadt Prag , und wenn
wir in der unteren Neustadt ein überwiegend modernes Stadtbild vor nns hatten, so stellt
sich uns in der Altstadt das Gegenstück vor Augen. Natürlich fehlt es auch hier nicht an
Neubauten, allein sie sind in der entschiedenen Minderzahl und selbst vou dieseu suchen
viele im Charakter sich dem älteren Stil anzupassen. In der Altstadt gibt es der Plätze
und Straßen genug, wo man sich, ein oder das andere Stück abgerechnet oder hinzu-
gedacht, um zwei bis drei Jahrhunderte zurückversetzt denken kann. So gleich der berühmte
„Große Ring". Er kann sich an Ausdehnung mit dem Roßmarkt nicht messen, auch ist
von einer Regelmäßigkeit keine Spur, aber an malerischer Schönheit und historischem
Interesse überragt er nicht blos alle anderen Plätze Prags, sondern die von ganz Böhmen.
Das merkwürdige Rathhaus mit der Aufschrift ober dem Haupteingang: ?ra^a caput
re^iii uud dem kunstvollen Uhrwerk an dem massiven Stadtthnrm ist in seiner Ostseite in
den Vierziger-Jahren ganz neu ausgeführt, in den anderen Theilen vor zwei Jahrzehnten
hergestellt, doch sind hierbei sowohl von außen als im Innern die architektonisch werthvollen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch