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Vorzeit und Zeitalter der j?remssliden.
Vorzeit. — Inmitten unseres Continents, im Herzen von Europa gelegen, einer
vollaufgeblühten hundertblättrigen Rose vergleichbar, bietet das Land Böhmeu durch seine
scharf ausgeprägte geographische Gestaltung das Bild eines in sich geschlossenen Ganzen,
dessen wechselvolle Geschichte bereits zwei Jahrtausende hinter sich hat.
Aus dem Dunkel der Vorzeit tritt im IV. Jahrhundert v. Chr. zuerst das hercyuische
Gebirge hervor. Schon Aristoteles bezeichnet als Arkynien jenen mitteleuropäischen Höhen-
zug, welcher nordwärts der Donau von Westen gegen Osten streicht. In dieses Waldgebirge
wird von Strabo das auch Cäsar gut bekannte Land Bujämum verlegt, welcher Name in
dem Vellejischen und Taeiteischeu Bojhämnm, dem späteren Böheim, dem heutigen Böhmen,
wiederklingt. Das Gebirge, welches ringförmig das Land umschließt, war zur Zeit der
Römer und bis in das späte Mittelalter hinein mit Urwäldern bedeckt, die einen breiten
Gürtel bildend in hohem Grade unwegsam waren und nahezu undurchdringlich schienen,
so daß die von Armin dem Marbod entgegengeschleuderte Bezeichnung „hereynisches
Versteck" ihre volle Berechtigung hatte.
Sehr klar war die geographische Beschaffenheit des Landes dem ersten Geschichts-
schreiber Böhmens, Cosmas, bekannt. Dies weite Land, schreibt dieser im XI. Jahrhundert,
ist rings von Bergen umgeben und es gewährt den Anblick, als ob ein ununterbrochener
Gebirgswall dasselbe umschlösse. Wie hoch aber seine Lage sei, ersehe man aus dem
bemerkenswerthen Umstände, daß kein auswärtiges Gewässer in das Land gelangt, während
sämmtliche Flüsse, groß und klein, den verschiedenen Grenzbergen entquollen, von der
Elbe als dem Hauptstrom aufgenommen werden und ins nördliche Meer abfließen.
Das Territorium entsprach genau dem oberen Stromgebiet der Elbe, denn noch im
VIII. Jahrhundert war das Egerland bis an die Quellen der Eger von böhmischen Slaven
besetzt, und auch das obere Quellgebiet der Luzuitz (Lainsitz) mit der Burg Witoraz
(Weitra) gehörte zu Böhmen. Dagegen lag das Gebiet der Reichenberger Neiße jenseits
der Marken des Landes. So war das Land auch in hydrographischer Beziehung ein
einheitliches Gebilde. Mit der Grenzscheide des Stromgebietes fiel genau die Landesgrenze
zusammen. Man sagte, das Land reiche „bis znr Wasserscheide" oder, da das Grenzgebirge
nach innen und außen bewaldet war und die Scheidelinie der Gewässer am Kamm des
Grenzwalles hinlaufend den Grenzwald gleichsam halbirte, „bis zur Mitte des Waldes".
Diese Grenze war — so unglaublich es auch lauten mag — durch einen Durchhau
(pteseku, intereislo) gekennzeichnet, ähnlich dem heute noch sichtbaren Rennsteig des
Thüringer Waldes. Das bewaldete Grenzgebirge konnte nur auf einigen wenigen Punkten
überschritten werden; es waren dies die Grenzsteige, das ist Saumwege, deren Spuren
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch