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Um die Mitte des letzten Jahrhunderts v. Chr. geriethen die Kelten Böhmens aus
unbekannten Gründen in Bewegung. Vielleicht zogen sie den von dem Dakerfürsten
Börebistas bedrohten paunonischen Bojern zu Hilfe und wurden mit diesen vernichtet.
Jedenfalls muß ein großer Theil des Volkes das Land verlassen haben, denn ums
Jahr 18 v. Chr. nahm es Marbod mit seinen, von Westen vorrückenden Markomannen in
Besitz. Doch verschwanden die Kelten nicht ganz aus Böhmen, denn das Land behielt
nach wie vor den Namen Bnjämnm oder Bojhämum, die keltischen Benennungen der
Gebirge (Hercynien, Gabreta-Wald, Sndeta-Wald) blieben bis aus Ptolemäus (II. Jahr-
hundert n. Chr.) vorherrschend, ebenso die Namen der Hauptniederlassungen, ja viele der
heutigen slavischen Ortsnamen deuten sichtbar auf keltischen Ursprung hin.
Die Markomannen waren ein germanisches Volk, welches schon imJahre 72 v.Chr.
im Verein mit den Rhein-Germanen den Krieg in Gallien unter Ariovist mitgemacht
hatte. Ihr Führer Marbod, in seiner Jugend in Rom unter den Augen des großen
Angustus erzogen, schien anfangs ein Werkzeug römischer Politik zu sein, die darauf
ausging, die bis an die Donau vorgeschobene Reichsgrenze durch mächtige Freunde unter
den Germanen zu schützen. Marbod zog von dem neubesetzten wallbnrgartigen Lande aus
theils durch Güte, theils durch Gewalt die an der unteren Elbe und an der Oder
seßhaften Stämme, namentlich die fnevischen Semnonen, die Longobarden, die Gothen, die
Lngier an sich. Ein nach römischem Muster ausgebildetes Kriegsheer von 70.000 Mann
Fußvolk und 4000 Reitern stand ihm zu Gebote, römische Händler und Überläufer fanden
freundliche Aufnahme in seinem Lande. Zuletzt nahm er eine so achtunggebietende Stellung
ein, daß den Römern vor ihm, den sie anfangs als ihren Freund angesehen hatten,
wie vor einem gewaltigen Gegner bange wurde. Um Marbods Macht zu brechen, unter-
nahm Tiberins im Jahre 6 n. Chr. einen großartig angelegten Feldzug gegen Bojhämum,
indem er selbst von Carnnntnm aus im Norden der Donau vorrückte, längs des Main-
flusses aber ein zweites Heer einen Einbruch versuchte. Der Feldzug schlug indessen fehl;
vergeblich hatte Tiberius zwölf Legionen, das ist mehr als 75.000 Mann aufgeboten. Die
Terrainschwierigkeiten, welche die Römer entweder gar nicht kannten oder bedeutend
unterschätzten, waren eben zu groß, als daß die Vereinigung der beiden Heere im Herzen
des Landes hätte erzielt werden können.
Marbod stand nun auf dem Höhenpunkte seiner Macht. Vielleicht dachte er jetzt
mehr denn je an die Vereinigung aller germanischen Völker unter seiner Oberherrschaft,
an die Gründung eines germanischen Reiches. Der plötzliche Sieg, welchen Armin im
Jahre 9 im Teutoburger Walde über die Römer errang, trat jedoch diesen seinen Plänen
mehr hindernd als fördernd in den Weg. Daher kam es wohl, daß er sogar bei Tiberins'
Rachezug in den Jahren 14 bis 16 abseits stand und in den Tagen größter Gefahr für die
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch