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der große Doppelstamm der Chromaten am Oberlaufe der Elbe. Im Süden hausten die
Dndleber und Netolicer, während die Bewohner des westlich gelegenen Gebietes an der
Watawa, Radbuza und Mies keinen Stammesnamen aufweisen.
Der Stamm war der Jubegriff mehrerer Geschlechter, die als Genossenschaften in
Dorfansiedlungen lebten und gemeinsame Familien- oder andere Collectivnamen trugen.
Jedem Stamm diente eine gemeinsame Bnrg oder bei größeren Stämmen mehrere Burgen
als Vereinigungsort im Frieden und als Zufluchtsstätte zu Zeiten der Gefahr.
Der erste seit Samo's Zeiten genannte Fürst war Krok, der Stammesfürst der
Czechen, Vater der drei Schwestern Kazl, Teta,Ljubosa (Libussa), von welchen nach Kroks
Tode die letztgenannte zur Fürstin berufen wnrde. Ihr Sitz war nicht mehr die väterliche
Burg Krakow, sondern die Burg Chrasteu, von da an Vysegrad (Hochburg) genannt und
nach slavischer Sitte als die Mutter aller Burgen des Landes bezeichnet. Zum Gemal
wählte Ljubosa einen Angehörigen des Stammes Belina, Premysl, welcher der Ahnherr
jenes Fürsten- und Königsgeschlechtes wnrde, das nach ihm den Namen Premysliden
führte und bis zum Beginn des XIV. Jahrhunderts die Geschicke Böhmens leitete.
Zeitalter der Premysliden. — Das Volk, in seiner Hingebung an den
Herrscherstamm, umgab frühzeitig den Vorgang, wie der Ackersmann von Staditz vom
Pfluge weg auf deu Fürstenstuhl berufen wurde, mit dem Farbenschmuck sagenhafter
Dichtuug. Das Ackerfeld, welches Premysl Pflügte, als die Abgesandten der Fürstin
kamen, die Haselstaude, welche aus der in den Boden gesenkten Pflugreute aufsproß, wurden
noch nach Jahrhunderten hochgehalten und noch Kaiser Karl IV. ehrte den Ort, indem er
die Besitzer des Premyslfeldes mit namhaften Freiheiten belieh. Auch sonst sind die
Anfänge des böhmischen Stammesfürstenthums mit historischen Sagen gar reich ausge-
stattet, so daß in der That Grillparzers Wort gilt, der da meint, die älteste Geschichte
Böhmens sei die romanhafteste, die er kenne.
Mit Karl dem Großen kommt wieder Bewegung in das Land. Nach Beendignng
des Avarenkrieges begannen die Angriffe auf Böhmen, um diese alte Laudesfeste den
Franken Unterthan zu machen. Unter Karls ältestem Sohne brachen 805 drei Heere in
das Land; am Fuße des sagenhaften Berges Rip, dort, wo die drei Flüsse Eger, Elbe und
Moldau sich vereinigen, trafen die Heersäulen zusammen. Doch mußte das Land, dessen
Bewohner dem offenen Kampfe auswichen, ob Mangels an Verpflegung wieder verlassen
werden. In diese Zeit fällt wohl der Anfang der Tribntpflichtigkeit Böhmens, und wie die
Benennung „Kaiser" von Cäsar hergeleitet wird, so ergab der Name „Karl" die Bezeich-
nung „Kral", welche bei den böhmischen Slaven aufgekommen und in der Bedeutung
„König" von allen Völkern des Ostens aufgenommen wurde. Wie wenig bezwnngen
übrigens das Land war, erhellt aus den, das ganze IX. Jahrhundert fortdauernden
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch