Seite - 244 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (1), Band 14
Bild der Seite - 244 -
Text der Seite - 244 -
244
Die Bewohnerschaft jeder Zupa war ein Gemeinwesen für sich. Die Verwaltung wurde von
landesfürstlichen Burgbeamten besorgt, die zumeist dem Zupeuadel angehörten. Die Zupeu-
ämter waren: das Zupanat, später Burggrafenamt genannt, das Cudariat oder Richteramt,
das Gerichtseamerariat oder Kämmerlingsamt, das Villikat oder Meieramt, das Venatoriat
oder Jägeramt, das Tribntariat oder Steueramt. Auch war die Burg der Sitz eines
Archidiacons oder mindestens eines höheren Geistlichen.
Die ältesten Ansiedluugen der böhmischen Slaven waren Familiensitze, so daß je
ein oder auch mehrere Dörfer einer Familiengenossenschaft angehörten. Dieses Band
lockerte sich im Laufe der Zeit, indem infolge intensiverer Bewirthschaftung der landes-
fürstlichen und geistlichen Güter zahlreiche Angehörige der Familiendörfer in Dienst-
verhältnisse zu den neuen Grundeigenthümern traten. Nichtsdestoweniger blieb auch
nachher die Form aufrecht; der Familiengenossenschaft entstieg die Ortsgemeinde (obee).
Je mehr die Landesgemeinde zu einem Gemeinwesen herauswuchs, desto größer
wurde die Bedeutung der Hauptburg Prag, deren Zupenämter schließlich zn Landes-
ämtern wurden, deren es vier gab: das Camerariat, das Cudariat, das Notariat, welche
drei Ämter in innigster Beziehung zu den Gerichten und der Landtafel (äeskx) standen,
endlich das Castellauat.
Die Gerichtsbarkeit wurde durch folgende ordentliche Gerichte ausgeübt: durch die
Hausgerichte, die Znpengerichte und durch den Landtag als Landrecht. Als ein Special-
gericht stellt sich das Grenzgericht dar zur Schlichtung von Grenzstreitigkeiten an Ort und
Stelle. Ausgenommen von der Gerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte waren die unter
Bretislav I. aus Großpolen eingewanderten und am Litawafluß angesiedelten Gedcaner, die
Israeliten, die seit undenklichen Zeiten zerstreut im Lande lebten und nach Anschauung des
Mittelalters Kammerknechte des Fürsten waren, die Gäste oder auswärtige Kaufleute,
die ihr Kaufhaus in der Prager Vorburg, den altberühmten Frohnhof (tM) besaßen, die
Prager Dentschen, die schon unter Vratislav II. (1061 bis 1092) einen abgeschlossenen
Theil der Vorburg zu ständigem Aufenthalte innehatten, die Kirchen- und Klosterleute,
deren Zahl mit dem Aufblühen des Kirchen- und Klosterwesens immer mehr anwuchs. Auf
diese Bewohuerclassen bezog sich die persönliche Gerichtsbarkeit des Fürsten, das Hofgericht.
Das Gerichtsverfahren bewegte sich in einfachen, zum Theil uralten Formen; die
gerichtliche Terminologie ist originell und klar. Eigenartig ist das Institut der Landtafel
bei den Znpengerichten und beim Landrecht. Die Gerichtsproben waren: die Wasserprobe
des heißen und kalten Wassers, die Probe des glühenden Eisens, indem glühendes Eisen
in die Hand genommen oder über glühende Pflugscharen geschritten wurde; ebenso zweifach
war der gerichtliche Zweikampf mit Schwertern für Adelige und mit Knitteln für Nicht-
adelige (oeist^: voäa, meee, Sehr streng, mitunter grausam war die
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch