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günstig und nützlich gewesen war, so gefährlich wurde ihm der plötzliche Umschwung,
welcher im Reiche durch die Wahl Rudolfs von Habsburg zum deutschen König eintrat
(1273). Schon die Wahl des „minder mächtigen Grafen" machte auf Ottokar, der in seinem
Innern die deutsche Krone angestrebt haben mag, einen tiefen Eindruck. Als er biuuen
Jahr und Tag die Belehnung von dem neuen König nicht nachsuchte, wurde er 1275 vor
das Reichsgericht geladen und, da er nicht erschien, in die Reichsacht gethan. Dies gab
allen unzufriedenen Elementen das Zeichen, sich gegen ihn zu erheben; in den inneröster-
reichischen Ländern verwandelte sich die Freundschaft vieler Anhänger in offene Gegner-
schaft, in Böhmen selbst machte sich der Unmnth gerade der mächtigeren Adelsfamilien,
insbesondere der Rosenberge, mehr und mehr fühlbar. Im Jahre 1276 mnßte Ottokar auf
die außerböhmischen Erwerbungen verzichten und die böhmischen Lande vom Reiche zu
Lehen nehmen.
Noch einmal versuchte Ottokar sein Glück, diesmal mit slavischer Hilfe. Mit dieser
glaubte er dasjenige wieder zu erringen, was ihm vordem trotz seiner deutschen Gesinnungen
mißlungen war. Ein neuer Krieg brach 1278 aus und endigte mit der vollständigen
Niederlage des Königs und seinem Tode. An der österreichischen March entschied sich das
Schicksal des auch im Tode großen Königs. König Rudolf war in seinem Innersten
ergriffen, als er auf dem nackten Erdboden vor sich die blutüberströmte Leiche seines
Widersachers sah, welchem er trotz Gegnerschaft seine hohe Achtung nicht vorenthielt.
Für Böhmen war der kritischste Moment seiner Geschichte gekommen. Das Land
war mehr als verwaist, der Erbe der Krone war noch ein Kind, das Land ohne Haupt;
der Sieger konnte, ohne daß ihn Jemand daran zu hindern vermochte, als Preis seines
Sieges die böhmischen Lande für das Reich einziehen und Böhmens Selbständigkeit für
immer ein Ende bereiten. Der kluge Fürst that dies nicht, im Gegentheil, gerade er war
derjenige, der Böhmen in dessen tiefster Erniedrigung aufzurichten suchte. Indem er für
Ottokars Sohn, Wenzel II., seine Tochter Guta zur Gemalin bestimmte, legte er klar au
den Tag, daß die Vernichtung Böhmens nicht in seiner Absicht lag.
Und merkwürdig genug: das Land erholte sich nicht nur, als König Wenzel II. zur
Regierung kam, es gelangte sogar in ungeahnter Weise zu neuer Macht, als Wenzel II.
auch die Königsmacht von Polen 1300 für sein Haus gewann, während seinem Nachfolger
Wenzel III. auch noch die Krone Ungarns zufiel, eine Machtstellung, die sogar die Glanz-
periode Ottokars II. überstrahlte. Freilich folgte auf diesen Aufschwung bald wieder ein
jäher Sturz, als König Wenzel III. in den Burgräumen von Olmütz dem Dolch des
Meuchelmörders erlag (1306). Aber mit größerem Ruhme konnte kaum das Premysliden-
gefchlecht vom Schauplatz der Geschichte abtreten, als derjenige war, daß der letzte
Premyslide drei Kronen auf seinem Haupte vereinigte!
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch