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Krone verlustig und bildete aus Vertretern der Herren, Ritter, Städte uud der radicalen
Husiten oder „Tabori ten" eine provisorische Regierung von 20 Männern, unter denen
Cenek von Wartenburg und Zizka sich befanden. Der gleich darauf von der Prager Synode
unternommene Versuch einer religiösen Einigung der verschiedenen hnsitischen Parteien
scheiterte. Die Kluft zwischen den „Taboriten" (so genannt nach ihrem Versammlungsorte
Tabor, wo sie die Stadt gleichen Namens gründeten) uud den sich von den Katholiken
wenig unterscheidenden Calixtinern (so genannt vom Gebrauch des Kelches beim Abend-
mahl) war eben zu groß, weil sie nicht blos eine religiöse, sondern auch eine politisch-
sociale war. Die Taboriten, aus armen Rittern, Handwerkern und Bauern, sowie einigen
unterworfenen Städten Südböhmens bestehend, neigten zum Communismus, waren
Feinde obrigkeitlicher Gewalt überhaupt und verwarfen fast alle Glaubenslehren, die in
der Bibel keine Begründung hatten, während die Calixtiner, zu denen die Prager, die
von ihnen unterworfenen Städte Mittel- und Nordböhmens und der größte Theil des
Herrenstandes gehörten und die an der Universität ihren Mittelpunkt hatten, mit Weg-
nahme der weltlichen Güter der Geistlichen sowie mit Ausschluß der Deutscheu vou allen
Ämtern sich begnügten und sonst nur auf Reichung des Abendmahls uuter beiderlei Gestalt
Gewicht legten, weßhalb sie auch ganz besonders „Utraqnisten" hießen. Als jedoch im
September die rheinischen Kurfürsten mit einem zahlreichen Heere in Böhmen einfielen und
Saaz belagerten, nöthigten die vereinten Streitkräfte aller hnsitischen Parteien unter des
nunmehr ganz erblindeten Zizka Führung dasselbe zum Rückzug. Ebenso endete ein zweiter
Feldzug, den Siegmund unternahm, mit schimpflicher Flucht seines Heeres in der Schlacht
bei Deutschbrod (8. Januar 1422). Nach diesen Erfolgen trat die Kluft zwischen den
Taboriten und den gemäßigteren Utraqnisten ärger denn je hervor. Am 9. März wurde der
Exmöuch Johann von Selan, der in Prag den Herrn spielte, mit zwölf seiner Anhänger
vom gemäßigt utraquistischeu Stadtrath enthauptet, wofür die Taboriten blutige Rache
nahmen. In den Jahren 1423 und 1424 kam es zu den heftigsten Kämpfen zwischen
Zizka und den gemäßigten Utraquisteu, welche mit der Partei Siegmnnds Unterhandlungen
angeknüpft hatten, aber von Zizka in der Schlacht bei Malesow geschlagen wurden
(7. Juui 1424); am 11. October starb Zizka vor der Burg Pribislav.
Zizka hat seine Kriege hauptsächlich mit Fußvolk und Artillerie geführt und beson-
dere Umsicht in Verwendung der sogenannten „Wagenburgen" zu einem vorzüglichen
Vertheidigungsmittel entwickelt, worunter zu einem Viereck zusammengefahrene, durch
Ketten verbundene und mit Geschützen bewehrte Kriegswagen zu verstehen sind. Das
Geheimniß seiner Erfolge bestand aber weniger in dieser auf die Wagenburgen uud das
Geschützwesen, sowie auf die geschickte Ausnützung des Terrains gegründeten Taktik,
sondern vielmehr in dem religiösen und nationalen Fanatismus, in welchen: er die großen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch