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mit offenbarer Absicht beider Parteien in der Weise abgefaßt wurde, daß sowohl die
katholischen Bischöfe Ungarns, welche dieselbe annahmen, als auch der hnsitische König
Georg, der darnach den Eid leistete, dieselbe je nach Bedürfniß interpretiren konnten.
Bald nach der Krönung erfolgte auch seine Anerkennung seitens des Kaisers
Friedrich III., welcher Georg in Brünn das böhmische Lehen sammt der kurfürstlichen
Würde nach althergebrachtem Brauche ertheilte; sogar der neugewählte Papst Pius II.
(Aeneas Sylvins) lebte anfangs mit Georg in gutem Einvernehmen und ermahnte die
Schlesier, jeden Widerstand gegen ihn aufzugeben. Bei Schlichtung internationaler
Streitigkeiten wurde Georgs Wort immer mehr maßgebend und bei den zerfahrenen
Verhältnissen des deutschen Reiches häufig fast entscheidend.
Um den innern Zustand des Königreiches Böhmen erwarb sich König Georg
in der ersten ruhigen Periode seiner Regierung unbestreitbare Verdienste in dem Maße,
daß er schon von seinen Zeitgenossen als der erste Förderer des Vaterlandes nach Karl IV.
gepriesen wurde. Bei einer vollständigen Rechtssicherheit, welche durch die Wiedererstarkung
der Autorität der Gerichte und öffentlichen Organe bewirkt wurde, prosperirteu Handel
und Gewerbe, wissenschaftliche und künstlerische Bestrebungen kamen wieder in Aufnahme
und die Prager Universität, seit den hnsitischen Wirren in argem Verfall, erhob sich wieder
zu neuem Leben.
König Georg stützte sich bei seinen Regierungsmaßregeln hauptsächlich auf den
Ritter- und Bürgerstand, während er gegenüber dem Herrenstand wohl mit der größte»
Behutsamkeit und Gerechtigkeit verfuhr, aber weitere Schmälerungen der königlichen Macht,
wozu die Häupter der hohen Adelsgeschlechter nicht übel Lust hatten, ganz und gar nicht
zu dulden gedachte. Georg stand auf dem damals allgemein anerkannten Standpunkt,
daß auf der Förderung und Erstarknng der Herrschermacht gegenüber oligarchischen
Gelüsten die oberste Bürgschaft eiuer gedeihlichen Staatsentwicklnug beruhe. Vou großem
Werth war für Georg bei seinen Reformbestrebungen der Umstand, daß er in Sachen der
Religion mit der großen Mehrheit des Volkes eins war. Dieser Stütze sich zu eutäußeru
fiel dem König sehr schwer, obzwar er für seine Person sich vielleicht nicht geweigert hätte,
dem Utraqnismns zu entsagen. Aber hätte er es gethan, so wäre der Haltpuukt geschwunden,
auf dem seine Macht beruhte, und anderseits hätte er doch nicht dasjenige erreicht, was die
römische Curie anstrebte: nämlich die bedingungslose Hingabe des ganzen Volkes unter
die Botmäßigkeit des päpstlichen Stuhls. Dahin hätte weder Georg von Podebrad, noch
ein Anderer im XV. Jahrhundert das böhmische Volk gebracht.
Georg befolgte in konfessioneller Beziehung genau die Compactaten, hielt fest am
Utraquismus, bewies aber zugleich das größte Wohlwollen gegen die unter Einer Gestalt
Empfangenden, gegen ihre Kirchen und Einrichtungen und überhaupt gegen Alles, was
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch