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jetzt vollständig in die Hände der Stände, das heißt einiger mächtiger Adelsgeschlechter.
Der König war bei Besetzung der obersten Landesbeamten gebunden und ließ sich in
der Verwaltung der Krongüter beschränken, welche allinälig von den Ständen verschleppt
wurden. Dabei wurde die Landtagssteuer für die Bedürfnisse des Landes entweder über-
haupt uicht bewilligt oder doch in unordentlicher und ungenügender Weise eingehoben.
Indem der Adel die königliche Gewalt derart schmälerte, begann er zugleich in einer früher
unerhörten und nie gesehenen Art das Unterthänigkeitsverhältniß des bäuerischen Volkes
zu verschlimmern. Der Baner wurde gerade zur Zeit der höchsten Entwicklung der stän-
dischen „Freiheiten" persönlich unfrei und an die Scholle gebunden, auf der er lebte, ja der
Bauer durfte beim Landesrechte nicht als Kläger gegen seinen Herrn austreten.
Auch ließen sich die beiden höheren Stände (die Herren und die Ritter) in einen
Kampf mit dem dritten, das ist dem Bürgerstand ein, indem sie denselben auf diejenigen
öffentlichen Rechte beschränken wollten, welche er vor den Hnsitenkriegen genossen hatte.
Daher verletzten die höhern Stände die Privilegien des Bürgerstandes, welche sich auf das
ausschließliche Recht zum Betrieb gewisser Gewerbe, insbesondere der Bierbrauerei bezogen,
wehrten den Städten Landesgüter zu kaufen und dieselben in die Landtafel einzutragen,
belangten die Bürger vor dem Landrechte auch in solchen Streitsachen, welche vor das
Stadtrecht gehörten, und machten endlich Versuche, die Städte auf den Landtage» um die
dritte Stimme zu bringen.
Um das Alles leichter zu erreichen, beschlossen die Stände ans dem Landtag des
Jahres 1497 aus alten Rechtsbescheiden eine Landesordnung zusammenzustellen;
die Arbeit wurde im Jahre 1500 im Wege des Druckes publicirt. In diese Landes-
ordnung nahmen die höheren Stände Alles als zu Recht bestehend auf, was sie dem
Bürgerstand erst abringen wollten. Die Folge davon waren Beschwerden der Bürger
über die Herren und Ritter, und als im Jahre 1502 der König einen dem Bürgerstand
sehr ungünstigen Rechtspruch promulgirte, entstanden Unruhen, Streitigkeiten und Fehden,
welche geraume Zeit währten und denen erst durch den Sanct-Wenzels-Vertrag im
Jahre 1517 mit Mühe und Noth gesteuert wurde. Aber das gegenseitige Mißtrauen
zwischen den höheren Ständen nnd den Städten hielt auch noch nachher an.
Einen großen Theil der Schuld, daß die Diuge so weit kamen, trug der König
selbst, seine Unfähigkeit und Unwissenheit. Ein Zeitgenosse äußert sich über ihn, er picke
wie eine Taube Alles auf, was mau vor ihn hinstreue. In den Streitigkeiten zwischen
den Ständen stand er ganz auf der Seite des Adels und alle seine Rechtsbescheide waren
gegen die Städte gerichtet, nachher aber verband er sich mit den Städtern gegen den Adel.
Noch vor Beendigung dieser Kämpfe starb Wladislaw zu Ofeu 13. März 1516.
Er hinterließ zwei kleine minderjährige Kinder, eine Tochter Anna und einen Sohn
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch