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Ludwig, für deren Zukunft er vor seinem Tode sorgte. Im Jahre 1515 wurde zu Wien
ein großer Kongreß der Könige Wladislaw von Böhmen und Ungarn und Sigmund
von Polen mit dem Kaiser Maximilian abgehalten. Dabei kam ein Bündniß der drei
Monarchen gegen die Türken zu Stande, der böhmische Thronerbe Ludwig wurde mit
Maria von Habsburg, der Enkelin Maximilians, verlobt, während Anna, die Tochter
Wladislaws, dem Erzherzog Ferdinand, einem Enkel Maximilians, angetrant wurde.
Diese Wechselheirat wurde denkwürdig und wichtig für alle Zeiten.
Unter der Regierung des Kindes Ludwig verschlimmerten sich die Verhältnisse in
Böhmen von Tag zu Tag. Die factische Macht im Lande übten einige adelige Herren,
welche ihre Ämter zur Selbstbereicheruug mißbrauchten und die Krone in große Schulden
stürzten. Es geschah häufig, daß König Ludwig auch au dem Nothwendigsten fühl-
baren Mangel litt, während die böhmischen Oligarchen (wie zu gleicher Zeit auch die
ungarischen) Pracht und Luxus zur Schau trugen. An der Spitze dieser allmächtigen
böhmischen Magnaten stand Herr Zdenko Leo (Lev) von Rozmitäl , Oberstburggraf
von Prag; anfänglich ein unbegüterter Edelmann, gelangte er zu großen Reichthümern,
und da er neben der eigenen Amtsgewalt an den fast unerschöpflichen Hilfsmitteln seines
Freundes Peter von Rosenberg einen starken Rückhalt hatte, so war er in der That der
oberste Herr des Königreiches nnd das Prototyp eines übermüthigen Oligarchen von
demselben Schlag, wie einst unter König Georg Zdenko von Sternberg. Die zeitgenössische
Satire verschonte nicht Herrn Lev und seine unersättliche Geldgier. Es sagt nämlich der
gleichzeitige Chronist: zn alten Zeiten hätten die Prager Juden ein Löwenpaar in einem
Käfig gehalten und dasselbe gar wohl gepflegt, jetzt aber reiche das ganze Böhmerland
nicht hin, um einen einzigen Löwen zu sättigen.
Dazu gesellte sich eine neue religiöse Bewegung. Böhmen hatte drei religiöse
Hauptparteien. Der größte Theil des Volkes hing dem wenn anch hinsiechenden Utra-
qnismns an, ein geringer, aber einflußreicher Bruchtheil der Bevölkerung, insbesondere
der höhere Adel, blieb katholisch, und neben diesen zwei Glaubensrichtungen gewann im
Lande und allmälig auch beim böhmischen Adel die Brüdernnität immer mehr an Bode».
Plötzlich wurden von Deutschland her Gerüchte von dem Auftreten Martin Luthers
ruchbar. Seine Lehre fand in Böhmen, welches schon seit hundert Jahren durch religiöse
Fragen in Athem gehalten wurde, eine freundliche Aufnahme und seine Grundsätze fielen
auf fruchtbaren Boden. Der katholische Adel blieb wohl im Ganzen seinem Glauben treu,
aber die katholischen Städte, zwei ausgenommen, und fast die ganze deutsche Bevölkerung
an der nördlichen Grenze Böhmens gingen in das Lager Lnthers über. Deßgleichen trat
in kurzer Zeit fast der ganze hinwelkende Utraqnismns der Lehre des deutschen Reformators
bei, behielt aber seinen alten Namen. Seit dieser Zeit unterscheidet man Altntraquisten,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch