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Die Friedensschlüsse, die den spanischen Erbfolgekrieg beendeten, wurden auch in
Böhmen mit Freuden begrüßt und hatten hier (am 23. Juli 1714) die lang ersehnte
Abschaffung der Accise znrFolge. Dagegen begann noch im Hochsommer 1714 im Lande die
Pest sich zu zeigen, welche trotz aller Mühe, die man sich mit ihrer Bekämpfung gab, bis in
den März 1715 dauerte. Noch ehe diese Heimsuchung eintrat, hatte eine verheerende Seuche
das Vieh, den Hauptbesitz des Landmanns, befallen und ungeheueren Schaden angerichtet.
Deshalb und weil auch jetzt für den bedrängten Bauer und den Gewerbetreibenden trotz
des ernstlichen Wohlwollens des Kaisers immer noch zu wenig gesorgt war, vermochte
die (blos durch die Kämpfe gegen die Türken und Spanier 1716 bis 1719 unterbrochene)
nachfolgende Friedensepoche materiell nur dem höheren Adel Österreichs zu helfen, der
wie anderswo so auch in Böhmen in prunkvollen Bauten, weiten Reisen, kostspieliger und
üppiger Lebensführung seinen Reichthum bekundete.
Immerhin zeichnen die Regierung Kaiser Karls VI. die ersten Versuche aus,
den Außenhandel Österreichs zu organisiren und in colonialen Wettbewerb mit den
europäischen Westmächten einzutreten. Die Ausdauer und Vorliebe, mit der der Kaiser sich
die Belebung des Verkehrs im Innern und die Schaffung einer Industrie zum Ziele setzte
und daran ging, die Lage des Bauernstandes zu bessern (1738), verdienen alles Lob.
Schon damals trat die Thatsache hervor, daß Böhmen vor Allem das Land sei für
industrielle Thätigkeit. So hatte sich trotz aller Schädigung zur Zeit der Gegenreformation
und der Ungunst der nachfolgenden Zeit die Tuchmacherei in Reichenberg doch allmälig
wieder gehoben und auch die Geigeumacherei auf dem Erzgebirge erhalten. Der junge
Glashandel ging seine glücklichen Wege. Die günstigeren Handelsverhältnisse wurden vor
Allem von den Bewohnern des herrlichen Elbegaues benützt, um ihr Getreide und ihre
reichen Obsternten mit Gewinn in das Reich zu exportiren. Dieser Verkehr, immer
schwunghafter betrieben und für Böhmen eine Quelle steigenden Erwerbs, blieb auch in
nationaler Beziehung nicht ohne Folgen: sowie sich vielfach deutsche Kaufleute in den
Elbestädten Böhmens niederließen, so gewann überhaupt die deutsche Sprache als natürliche
Verkehrssprache mit dem deutschen Norden in Stadt und Land weitere Ausbreitung.
Leider war der Kaiser immer wieder durch politische Fragen von der höchsten
Wichtigkeit und in der letzten Zeit seiner Regierung durch unglückliche Kriege gehindert,
seine wohlwollenden Absichten weiter zu verfolgen. Die langjährigen schweren Kämpfe um
die spanische Monarchie hatten die Ersprießlichkeit der Erlassung einer klaren Erbfolge-
ordnung aller Welt dargethan. Deßhalb erließ Karl VI. am 19. April 1713 ein Haus-
gesetz, das wie den männlichen so auch seinen weiblichen Nachkommen die Erbfolge
nach der strengen Erstgeburtsfolge in seinem gesammten Besitze zusicherte und dessen
unbedingte Gutheißung er vor Allem seitens seiner Unterthanen zu erlangen suchte.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch