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Geburtshilfe, die auch in cechischer Sprache zu lehren war, das Deutsche als Unterrichts-
sprache vorgeschrieben, die Verwaltung des Universitätsvermögens von der Staatsgüter-
Administration besorgt, während der Staat die Gehalte der Professoren zahlte, die
Gerichtsbarkeit der Universität an den Prager Magistrat gewiesen wurde u. s. w. Zu
gleicher Zeit wurde der (seit 1769 bis 1770 bestehenden) Privatgesellschaft für wissen-
schaftliche Zwecke die Anerkennung des Kaisers ausgesprochen und ihr ein Saal in der
Universität zur Verfügung gestellt (1784). Die Folgen blieben nicht aus. In jenen Tagen
konnte das Vaterland mit Stolz auf eine Reihe Gelehrter innerhalb und außerhalb der
Universität hinweisen, wie auf Josef Dobrovsky, Gelasius Dobuer, A. Voigt, F. M. Pelzel,
Jguaz Coruova, Franz Pnbitschka, I. Schaller, St. Wydra, K. Royko, Jgnaz Butschek u. a.
Praktischen Zwecken diente es, wenn der Kaiser den Privatverein zur Verbreitung
landwirthschastlicher Kenntnisse zu einer öffentlich anerkannten Gesellschaft („die patriotisch-
ökonomische Gesellschaft") erhob, der die Prüfung angehender Landwirthe zustand, und
wenn er die Errichtung von Industrieschulen in Böhmen anordnete — bis 1787
gab es deren bereits etwa 232 —, so wie denn Josef II. Industrie und Handel Böhmens
ganz direct und aufs ausgiebigste unterstützte. Auf sein energisches Eingreifen ist in erster
Reihe die hohe Blüte der Leinwandindustrie im oberen Elbegebiete (Trantenan, Hohen-
elbe, Braunau), die gewaltige Entwicklung der Industrie des deutschen Nordens Böhmens,
besonders Reichenbergs, zurückzuführen. Ebenso verdankt Böhmen die wichtigsten
Humanitären Anstalten der allumfassenden Regentensorge Josefs II, so das Waisenhaus
in Prag (errichtet 1783), das allgemeine Armeninstitut (1784), die Taubstummenanstalt
für Böhmen (1786), das allgemeine Gebärhaus in Prag (1789), die Irrenanstalt und
das allgemeine Krankenhaus (1790).
Die größten Thaten Josefs II. bleiben aber das Unterthanspatent und die Auf-
hebung der Leibeigenschaft (15. Januar 1782). Sie endlich lösten die Fesseln, welche die
Landbevölkerung drückten, und jetzt erst vermochte der Reichthum des Landes und der
Fleiß und die Betriebsamkeit seiner Bewohner zur vollen Geltung zu gelangen. Es ist
darum nur volle Wahrheit, wenn ein ruhig beobachtender Zeitgenosse sagt: „Es bleibt
des Guten und Nützlichen, was dieser unvergeßliche Monarch in Böhmen sowie in allen
seinen Erbländern leistete, so viel übrig, daß kein Böhme anders als mit Thränen der
Dankbarkeit sein Andenken feiern kann."
Und noch mehr! So gewiß es ist, daß aus der Durchführung des Josefinischen
Staatsideales für die Sprachen der kleineren Stämme Österreichs schwere Gefahren
erwuchsen, so sicher waren Maria Theresia und Josef II. weit davon entfernt, sie kurzweg
hintanzusetzen, wo sie praktisch von Nutzen werden konnten. Die Sorge für den Unterricht in
der böhmischen Sprache an der Wiener Universität, am Theresianum, an der Militärakademie
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch