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daß in Böhmen vor der Besiedlung des ganzen Landes durch ausschließlich slavische
Stämme auch fremde, uicht slavische Stämme, unter diesen die germanischen Markomannen
ansässig waren, so lag es nahe zu erklären, daß abgesehen von der ältesten Bevölkerung
(deren Nationalität nicht bestimmt werden kann, da ein fester Anhaltspunkt fehlt), jene im
Anfang der christlichen Aera und im ersten Jahrtausend auftauchenden Dolichokephalen
eben die germanischen, bei uns angesiedelten Völker und ihre Nachkommen waren, welche
jedoch in der Folge theils auswanderten, theils in der brachykephalen slavischen
Bevölkerung, die bald das ganze Land überschwemmte, vollständig aufgingen. Dasselbe
wiederholte sich bei den späteren deutschen Colonisten. Alle haben, da sie numerisch
verhältnißmäßig schwächer als die Slaven waren, ihren ursprünglichen Typus eingebüßt,
so daß gegenwärtig der cechische und deutsche Schädeltypus beinahe keinen Unterschied
aufweist.
Zu einem ähnlichen Resultate scheint auch die zweite äußere Eigenthümlichkeit der
böhmischen Bevölkerung, nämlich die Farbe des Haares, der Augen und der Haut
zu führe». Es ist uns aus dem Alterthum bekannt, daß die damaligen Germanen, die
unablässig mit den Römern Krieg führten, von hoher Gestalt waren, daß sie lichtes,
und zwar blondes oder röthliches Haar, eine lichte oder röthliche Gesichtsfarbe und
blaue Augen hatten. Und in der That, man findet bis jetzt im nördlichen Europa,
wo sich der Kern der Germanen verhältnißmäßig am reinsten vor Mischungen erhalten
hat, so in Norddeutschland, hauptsächlich aber in Skandinavien den größten Procent-
satz blonder Leute. Die Slaven dagegen zeigen uns einen durchschnittlich duuklen
Typus, und zwar ist er desto dunkler, je weiter wir gegen Westen und Süden gehen.
Während bei den Großrussen und Polen der Procentsatz der Blonden größer ist als
der der Brünetten, zeigen die Bewohner der Ukrajine und der Gebirgsgegenden
Galiziens schon ein umgekehrtes Verhältniß. Bei den Südslaven, den Serbo-Kroaten
und Bosniern haben Dr. Weißbach und Major Himmel sogar über 90 Procent
Brünette gefunden. In den böhmischen Ländern halten beide Typen einander im großen
Ganzen das Gleichgewicht. In Schlesien fand man bei Schulkindern 22 7 Procent rein
blonde gegen 18 4 Procent rein brünette, in Mähren war dies Verhältniß 19 5 Procent
zu 22 4 Procent und in Böhmen 21 3 Procent zu 22 2 Procent. Die übrigen Procente
entfallen überall auf gemischte Typen. Wir sehen demnach in Böhmen wie in Mähren
einen etwas höheren Procentsatz der dunklen Typen. Daß die dunkle Complexion den
Slaven eigenthümlich ist, dafür scheint auch zu sprechen, daß sich nach den interessanten
Resultaten dieser Statistik der Schulkinder, welche auf Grundlage von amtlich gesammelten
Daten im Jahre 1884 Dr. G. A. Schimmer ausgearbeitet hat, auch die Sprach-
grenze im nördlichen Böhmen ziemlich übereinstimmend mit der anthropologischen deckt.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch