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Längenindex auf eine ähnliche Spur, auf eine gewisse durchschnittliche Abnahme der
Brachykephalie in deutschen Gegenden kommen wird.
Auf Grund der Erforschung dieser beiden Eigenschaften im Typus der Bevölkerung
Böhmens mit Rücksicht auf den gegenwärtigen Zustand, auf alte, historische Nachrichten
und Funde in böhmischen und deutschen Ländern scheint also der Schluß der böhmischen
Anthropologie berechtigt zu sein, daß sich jetzt beide im Lande wohnende Völkerschaften
anthropologisch fast gar nicht oder nur im geringen Grade unterscheiden (wie es bis jetzt
eigentlich nur in der Complexion bewiesen wurde), daß jedoch in der Vergangenheit dieser
Unterschied bedeutend war, daß, während die Cechen als ein slavischer Stamm znm
brachykephalen Typus und dunkler Complexion gehörten, die Germanen dagegen
Dolichokephali waren und auch blond und blauäugig, und daß die germanischen Colo-
nisten, die sich in Böhmen ansiedelten, in anthropologischer Hinsicht allmälig aufgingen in
der ursprünglichen slavischen Bevölkerung; in nationaler Hinsicht haben sie jedoch einen
beträchtlichen Theil der ursprünglichen slavischen Bevölkerung germanisirt.
Diese auf den ersten Blick so natürliche und verlockende Erklärung hat nichts
destoweniger mehrere schwache Seiten, und es widerspricht ihr auch eine ganze Reihe positiver
Daten. Es kam schon Professor I. Kollmann in Basel und nach ihm eine ganze Reihe
anderer Anthropologen und Archäologen ersten Grades, unter den Deutschen hauptsächlich
R. Virchow, unter den Russen P. A. Bogdanov zu ganz anderen Resultaten, und sie
sprechen den ehemaligen Slaven statt der ursprünglichen slavischen Brachykephalie und
dunklen Complexion mehr oder weniger bestimmt einen, dem ursprünglichen deutschen
ähnlichen Typus zu.
Zu dieser Anschauung brachten sie eine ganze Reihe von Belegen, die wir hier freilich
ausführlich nicht aufzählen können. Nur kurz wollen wir sie berühren. Vor Allem sind
nicht alle Slaven gleich brachykephal. Schon im Jahre 1861 hat Dr. Weißbach
richtig constatirt, daß die nördlichen Slaven einen verhältnißmäßig engeren und zugleich
auch niedrigeren Schädel als die Südslaven haben, wobei die Cechen und Slovaken mehr
brachykephal als die Polen und Rnthenen sind, kurz daß die Brachykephalie bei den
Slaven gegen Westen und Süden, also etwa in der Richtung gegen das Centrum
von Europa, gegen die Alpen, zunimmt.
Ferner gehört in den alten polnischen und russischen Grabstätten, namentlich in den
Gegenden am Ober- und Mittellaufe des Dnjepr, also theilweise im heutigen Polen und
in den russischen Gouvernements von Kiew, Poltava, Cernigov, Mogilev, Smolensk u. s. w.,
die von altersher die Heimat der Slaven waren, bei weitem die Mehrzahl der Schädel
zu den ausgesprochenen Dolichokephalen. Die russischen Archäologen ersetzen daher
die Benennung des dolichokephalen Typus mit der Bezeichnung „Kurgan-Typus".
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch