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Pelzwerk, das war der Stoff, aus dem das Kleid verfertigt wurde, und zwar: Leinkittel,
Hemden, Kopftücher und Ärmel, Röcke, Mäntel, Mützen, Beinkleider, Beschuhung
und Pelze.
Bei den Böhmen äußerte sich jedoch früher als bei den anderen slavischen Völkern
der fremde Einfluß auf die heimische Tracht, wenn auch nicht gleich in allen Schichten und
auch nicht in allen vom böhmischen Volke bewohnten Ländern, so daß zum Beispiel die
Böhmen Mährens, besonders die Slovaken, ihre heimische Tracht am längsten und
besten erhalten haben. Daß in Böhmen so frühzeitig fremde Trachten Eingang fanden,
das verschuldete gewiß hauptsächlich die Lage des Landes, das sich gegen europäische
Moden nicht abschließen konnte, und der lebhafte Charakter des Volkes selbst. Der Westen
traf hier mit dem Osten zusammen; der Westen wirkte jedoch mächtiger, freilich zuerst in
den wohlhabendsten Schichten, namentlich beim Adel, und zwar am mächtigsten im
XIV. Jahrhundert während der Herrschaft der Luxemburger, wo die französische Tracht
am Hofe und bei dem höheren Adel Eingang fand. Aber noch um diese Zeit (im Jahre
1318) spricht das Privilegium der Prager Schneider von der böhmischen Tracht. Dann
wirkten auch andere Einflüsse, wie der deutsche, wenn auch nicht dermaßen, wie man es
wegen der nahen Nachbarschaft und der zahlreichen politischen und geschäftlichen
Berührungen der Böhmen mit den Deutschen voraussetzen könnte.
Der strenge Geist des Hnsitismus, der jeden Luxus als sündhafte Eitelkeit ver-
dammte, machte der Pracht und Üppigkeit in den Trachten, wie sie in Böhmen namentlich
das XIV. Jahrhundert eingeführt hatte, ein Ende, und es ist interessant, wie man aus
Vermächtnissen und Inventarien jener Zeit ersehen kann, daß damals dunkle und graue
Farben die Oberhand erlangten gegenüber den früher so beliebten lebhaften und hellen.
Aber schon gegen das Ende des XV. Jahrhunderts macht sich eine Reaction bemerkbar.
Prächtige Trachten kamen wieder auf und herrschten namentlich im XVI. Jahrhundert, so
daß die Landtage nicht selten strenge Verbote dagegen erließen.
Zu jener Zeit herrschte in Böhmen wie im übrigen westlichen Europa hauptsächlich
die italienische und spanische Tracht vor; darnach kam die französische auf, namentlich beim
Adel und der Bürgerschaft, während das Volk sich mehr conservativ verhielt. Die die Mode
betreffenden Veränderungen gingen in früheren Zeiten überhaupt nicht so rasch vor sich,
namentlich nicht im Volke. Doch auch der böhmische Landmann konnte sich nicht ganz
fremden Einflüssen verschließen. Er richtete sich hauptsächlich nach seiner Herrschaft
und nach den Städten, indem er von ihrer Mode, wenn auch verspätet, so Manches
annahm. Bemerkenswerth ist es, daß man am Fuße des Riesengebirges, bei Vysoke
noch in jüngster Zeit (und vielleicht noch jetzt) den Hut auch „pil-it" nannte, und das
dortige ,kacalik«, das auch sonst in Böhmen vorkommt, ist ein Überbleibsel aus dem
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch