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laden die letzte Garbe und alle Geräthe auf den Wagen, in welchen zierlich aufgeputzte
Pferde mit in die Mähnen und Schweife eingeflochtenen Bändern eingespannt sind,
fetzen sich oben drauf und fahren unter Jauchzen und Gesang, nicht selten mit Musik-
begleitung in den Wirthschaftshof. Dort angekommen, überreichen sie den großen Ähren-
kranz ihrem Dienstgeber (auf der Herrschaft dem Verwalter) und gratuliren ihm zur guten
und glücklich beendeten Ernte, wofür sie dann bewirthet werden. Mit Musik uud Tanz
schließt das Fest.
In ähnlicher Weise wie das Erntefest wird bei Rakonitz und Lauu das Hopfen-
pflückfest (äoeesnü) uud bei Meluik die Weinlese (vinvbrani) begangen.
Nun hat der Landmann seine Ernte in Sicherheit gebracht und kann deren Erträgniß
abschätzen und seine Jahresbilanz feststellen. Jetzt kann er sich nach der mühe- und sorgen-
vollen Erntezeit einen Augenblick Ruhe vergönnen und sich gütlich thun. Eine willkommene
Gelegenheit dazu bietet die Kirchweih (posviceni), ursprünglich wohl ein Familienfest,
welches später zu einem Kirchenfest gestempelt wurde. Auf die Kirchweih, welche in der
Regel auf einen Sonntag im Herbst fällt, kommen die Verwandten und Bekannten von
fern und nah, um wenigstens einmal im Jahre beisammen zu sein, ihre Familien-
angelegenheiten zu besprechen und sich gemeinschaftlich zu unterhalten. Es werden demnach
für die Kirchweih großartige Vorbereitungen gemacht: gemästete Schweine, gefütterte Gänse,
Enten und Hühner werden geschlachtet, ganze Haufen von Kuchen gebacken und überhaupt
Alles aufgeboten, damit den Gästen nichts abgehe, so daß die böhmische Kirchweih durch
die Hülle und Fülle der Speisen, in welchen da geschwelgt wird, sprichwörtlich geworden
ist. Abends wird ins Wirthshans zur Musik gegangen, wo der Ortsvorsteher mit den
Dorfnotabilitäten an einem besonderen Tische stül) Platz nimmt und der
pantäta (Hausvater) mit seiner panimäma anch ein Tänzchen mitmacht. Sonst huldigt
dem Tanze natürlich hauptsächlich die Jugend. Montag vormittags ist das „schöne" oder
„goldene Stündchen" (pöknü, ?Iats, koäinka), und die aufgeputzten Mädchen eilen ins
Wirthshaus, um daselbst wenigstens ein Stündchen dem Tanze zu huldigen.
Das sonst üblich gewesene Köpfen des Widders und das Herabwerfen eines
Ziegenbocks vom Thurme oder vom Dach des Wirthshauses lebt nur noch in der
Erinnerung der älteren Generation; dagegen hat sich der Hahnschlag (stinäni kokouta)
in vielen Gegenden bis zum heutigen Tage erhalten. Auf einem freien Platze wird nämlich
ein Hahn an einen in die Erde eingeschlagenen Pflock gebunden und die Dorfleute stellen
sich in einer Entfernung von 50 und mehr Schritt auf. Wer den Hahnschlag versuchen will,
dem werden die Augen verbunden, sodann wird er um ein aufrecht stehendes Faß einigemal
herumgedreht und mit einem Dreschflegel in der Hand losgelassen. Oft geht er in ganz
entgegengesetzter Richtung, um aufs gerathewohl loszuschlagen, was von allgemeinem
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Band 14
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Böhmen (1)
- Band
- 14
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1894
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.78 x 21.93 cm
- Seiten
- 634
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch